David Eagleman

The Brain

Ausgabe: 2018 | 1
The Brain

Auf das Wesentliche heruntergebrochen schreibt der Neurowissenschaftler David Eagleman über „das sonderbare Rechengewebe in unserem Schädel“. (S. 7) Mit seinen Ausführungen möchte er Theorie und Praxis der Hirnforschung den lesenden, unbedarften Besitzern eines Gehirns ein Stück weit näherbringen, über den aktuellen Forschungsstand aufklären und einen Blick in die Zukunft wagen. Ein luftig gestaltetes Layout mit gängigen Fallbeispielen und Illustrationen lassen die gut 200 Seiten dabei zu einer gut begreiflichen und schnell gelesenen Lektüre werden.

Die sechs Kapitel gehen je verschiedenen Fragen nach, etwa was Wirklichkeit ist oder wie Entscheidungen gefällt werden. Auch, ob das Gehirn von sozialer Interaktion abhängig ist. Eindeutig fällt hier die Antwort aus: der Mensch wird als sozial beschrieben, also nach zwischenmenschlichen Bindungen strebend: „Obwohl wir Menschen oft untereinander konkurrieren und egoistisch handeln, verwenden wir auch eine Menge Energie auf die Zusammenarbeit zum Wohl der Gruppe.” (S. 155) Doch warum, fragt der Autor, kommt es dann etwa zu Völkermorden? Nun, das Gehirn neigt dazu, zwischen eigenen und fremden Gruppen zu unterscheiden. Weitergehend gilt, und hier zitiert Eagleman den Pychologen Lasana Harris: „Wenn wir Menschen nicht als solche wahrnehmen, müssen wir uns nicht an die moralischen Regeln halten, die Menschen vorbehalten sind“. (S. 162) Bildung spielt nach Eagleman eine entscheidende Rolle, um der Entmenschlichung bestimmter Gruppen und damit der Ursache für eskalierende Gewaltakte entgegenzuwirken: Der Prozess der Gruppenbildung und darauf aufbauend der Wirkmechanismus von zumeist unreflektiertes Oppositionsdenken auszunützender Propaganda bedarf einer frühzeitigen Aufklärung.

Eagleman belegt seine Thesen durch zahlreiche Beispiele, die das Buch zu einer verständlichen Grundlage über die Funktionsweise und Komplexität des Gehirns machen. Auch wenn der Forschungsstand beeindruckt, am Ende bleibt vor allem die Gewissheit der Ungewissheit und das menschliche Gehirn in großen Teilen als Geheimnis. Zumindest vorerst, denn Eagleman zeigt sich im letzten Kapitel euphorisch über zukünftige Entwicklungen und Möglichkeiten, wenn er der Frage nachgeht, wie technische Fortschritte und biologische Erkenntnisse die menschliche Spezies verändern könnten: „Wenn wir ausreichend leistungsstarke Computer haben, um die Interaktion in unserem Gehirn zu simulieren, dann könnten wir uns selbst auf einen Rechner laden. Wir könnten digital existieren, uns selbst simulieren, unserem Körper entkommen und zu nicht-organischen Wesen werden. Das wäre der größte Sprung in der Geschichte der Menschheit und der Anfang des Zeitalters des Transhumanismus.“ (S. 204) Ein erschreckend-faszinierendes Gedankenspiel.