Im allgemeinen wird der Technik bei der Bewältigung gegenwärtiger und künftiger Herausforderungen in den Bereichen Umweltschutz, Bevölkerungsentwicklung, Gesundheit, Alterung und Arbeitslosigkeit eine Schlüsselrolle zugedacht. Die bisher übliche Orientierung am technisch Machbaren einerseits und am Vermarktbaren andererseits wird in Zukunft wohl kaum mehr ausreichen. Die Frage lautet vielmehr, inwieweit eine Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und an langfristigen gesellschaftlichen Problemfeldern hier eine Alternative zu den bisherigen Leitbildern in der Technikentwicklung bieten kann? Eine Antwort darauf suchen namhafte Wissenschaftler in den hier dokumentierten Beiträgen, die anläßlich eines Symposiums, veranstaltet vom Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen 1998 in der Reihe „Szenarien für morgen“, ihre Ansätze und Lösungsstrategien zum Technologiebedarf und zur Technikvorausschau zur Diskussion stellen.
Zunächst werden technologische und technologiepolitische Trends in Europa anhand der deutschen Delphi-Studie, des britischen „Technology Foresight Programm“, der Technikvorausschau in Frankreich und den Niederlanden vorgestellt. Das niederländische „Programm für nachhaltige Technologieentwicklung“ folgt dem Ansatz des „backcasting“, das, ausgehend von gewünschten Szenarien für das Jahr 2040 (die sich aus dem nationalen Umweltplan ergeben und am Leitbild der Nachhaltigkeit orientiert sind), in verschiedenen Bedarfsfeldern wie Mobilität, Wohnen oder Ernährung notwendige technologische Entwicklungen beschreibt und mögliche Prozesse beispielhaft aufzeigt (Leo Jansen). Schließlich wird noch (von Per Soru) das Projekt des „Institute for Prospective Technological Studies“ (IPTS), dessen Technikbeobachtung sich auf das ESTO-Netzwerk (European Science and Technology Network) stützt, vorgestellt. In Folge stellt Jean Gabolde das „5. Rahmenprogramm der Europäischen Forschungs- und Technologiepolitik“ vor, das nach seiner Einschätzung bereits eine stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen der Bürger beinhaltet. Insgesamt zeigt sich in den Überlegungen zur bedarfsorientierten Technologieentwicklung und Technologiepolitk (im Bereich Energie, bei umweltgerechten Verkehrskonzepten und den Neuen Medien), daß die Ausrichtung an den Problemen vor Ort und die Einbindung der Akteure und Nutzer im Vordergrund stehen. Arne Claussen beschäftigt sich abschließend mit dem Methodenspektrum der Technikvorschau (v. a. der Delphi-Studien) und stellt die nicht unberechtige Frage, „ob Technikvorausschau nicht viel eher eine internationale Herausforderung als eine einzelstaatliche Übung sein sollte“ (S. 205). In jedem Fall kann Technikvorausschau, so die übereinstimmende Meinung der Experten, nicht die Wahrheit verkünden, sondern nur einen Blick in mögliche Zukünfte werfen.
A. A.
Technologiebedarf im 21. Jahrhundert. Technikvorausschau und Technologiepolitik in Europa. Hrsg. v. Gert Kaiser ... Frankfurt/M. (u. a.): Campus-Verl., 1999. 221 S., DM 39,80 / sFr 38,80 / öS 291,-