Lisa Vollmer

Strategien gegen Gentrifizierung

Ausgabe: 2020 | 1
Strategien gegen Gentrifizierung

Mit Gentrifizierung wird gemeinhin die Verteuerung des Wohnens und Lebens in Stadtteilen aufgrund des Zuzugs alternativer, aber kaufkräftiger Schichten, etwa der Kultur- und Kreativszene, verstanden. Lisa Vollmer gibt sich mit dieser einfachen Deutung nicht zufrieden. Sie spricht von einer kapitalistischen Aneignung der Stadt sowie einem neuen „urbanen Kolonialismus“ (S. 58). Dass Immobilien immer stärker zum Anlageobjekt wurden, spiele hierbei ebenso eine Rolle wie die Privatisierung des Wohnungsbaus. Kurz gesagt: „Gentrifizierung findet statt, weil immobilienwirtschaftliche Akteure damit Geld verdienen können.“ (S. 53) Zudem hätten Stadtregierungen Interesse an der Aufwertung ihrer Städte: „Attraktivität für die Mittel- und Oberschicht wird in der Logik der unternehmerischen Stadt zum Standortfaktor in der Konkurrenz um Steuereinnahmen, höhere Kaufkraft und Ansiedlungen von Unternehmen, da diese auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind.“ (S. 72) Neben der gewerblichen gäbe es daher auch die staatlich induzierte Gentrifizierung.

Mietbremsen als Lösung?

Wie kann dagegengehalten werden? Solange Wohnen eine Ware sei, könne die Wohnungsfrage unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden. Aber auch Wohnraum in öffentlicher Hand sei noch keine Garantie für leistbares Wohnen für alle. Vollmer plädiert für Mietbremsen, die auch den privaten Wohnungsmarkt umfassen. So können in Deutschland Mieten in bestehenden Verträgen in drei Jahren maximal um 20 Prozent erhöht werden, in angespannten Wohnungsmärkten nur um 15 Prozent. Modernisierungen sind von diesen Begrenzungen ausgenommen, was als Schlupfloch für Immobilienbesitzende verwendet wird. Einige Städten greifen daher, so berichtet Vollmer, bereits zu Umwandlungsverboten. Die 2014 eingeführte Mietpreisbremse auch bei Neuvermietungen bleibe lückenhaft und werde häufig umgangen. Als „Politiken gegen Inwertsetzung“ (S. 74) schlägt die Autorin mit der „Interventionistischen Linken Berlin“ die Zurückdrängung des privaten Wohnungsmarktes, die Demokratisierung der Verwaltung öffentlicher Wohnungen, das Verbot börsennotierter Immobilienunternehmen sowie gestaffelte Grunderwerbssteuern vor, die die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften bevorzugen sollen (S. 76).

Unter dem Motto „Betroffenheit kollektivieren, Wohnungsfrage politisieren“ (S. 84) beschreibt Vollmer schließlich mietenpolitische Initiativen aus Deutschland, viele davon in Berlin und Hamburg. Von diesen Bewegungen erhofft sie sich Druck auf die Politik und die Wohnungswirtschaft. Denn: „An Ideen, wie eine bessere Wohnungspolitik aussehen kann, mangelt es nicht – am politischen Willen, diese umzusetzen, allerdings schon.“ (S. 148) In der Verbindung von Beiträgen aus der Wohnbauforschung sowie Basisinitiativen liefert der Band einen wertvollen Beitrag zur Diskussion über Wohnungspolitik.