Andreas Bischof

Soziale Maschinen bauen

Ausgabe: 2019 | 1
Soziale Maschinen bauen

Die Personifizierung von KI in Form von Robotern ist ein beliebtes Thema in Literatur und Film, doch wie sieht die Realität aus? Der Kulturwissenschaftler Andreas Bischof hat sich in einem detailreichen Werk mit dem Themenfeld „Sozialrobotik“ beschäftigt – jenem Forschungsbereich, der Roboter für eine Mensch-Maschine Interaktion generiert.

Der Autor behandelt das Thema auf einer Meta-Ebene, d. h. er verortet Sozialrobotik wissenschaftstheoretisch: In welchem sozialen Kontext, unter welchen Rahmenbedingungen, auf welchen epistemologischen Prinzipien aufbauend wird geforscht? Das Buch ist daher als Fachlektüre für einschlägig interessierte LeserInnen zu verstehen und weniger als einführendes Werk in die komplexe Materie der Sozialrobotik.

Sozialrobotik bedeutet die „Technisierung von Sozialität“ (S. 12). Sie ist per definitionem transdisziplinär: „Durch den angestrebten Einsatz in alltäglichen Lebenswelten wird Robotik plötzlich zu einer Disziplin wie Architektur oder Stadtplanung, in der sich wissenschaftliche, ingenieurtechnische, politische, soziale und ästhetische Expertisen und Interessen kreuzen. Das liegt daran, dass Sozialrobotik und Architektur nun die gleiche Art von Problemen teilen: das der widerständigen (...) Natur der Vorhersagbarkeit menschlicher Aktivitäten in sozio-technischen Systemen“ (S. 21).

Roboter als soziale Konstruktion

Die Frage, die der Autor aufwirft, ist, wie in der Sozialrobotik „sozial“ verstanden und in Maschinensprache übersetzt wird. Dabei zeigt sich, dass auch ein technischer Forschungsbereich kulturell durchsetzt ist und die kulturellen Vorstellungen und individuellen Präferenzen von IngenieurInnen in die Konstruktion von Robotern einfließen. Auch die Wahl der Anwendungsfelder für Roboter – nämlich in erster Linie Medizin und Naturwissenschaften – ist kulturell indiziert. Wie jede Wissenschaft ist daher auch Sozialrobotik soziale Praxis, die nie unabhängig von sozialen Konstellationen und kulturellen Einflüssen ist (vgl. S. 55). Das Endprodukt Roboter ist daher auch immer eine soziale Konstruktion – eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die kritische Bewertung geht, wie Roboter bedient werden können/sollen und welche Form von Interaktionen überhaupt möglich sind.

Der Autor nennt Beispiele aus Afrika, wo Anwendungsanleitungen aus den High-Tech-Laboren im Norden nicht funktionierten (vgl. S. 81f.). Dazu kommt, dass Sozialrobotik ein äußerst kostenintensiver Forschungszweig ist, der somit stark abhängig von Drittmitteln ist. Damit fließen nicht nur die Interessen von Industrie, sondern auch des Militärs in die Forschung ein: „Im Sample von 15 in den USA tätigen Sozialrobotikforscherinnen oberhalb des Doktorandenstatus erwähnten nur zwei selbstläufig, dass sie eine militärische Finanzierung ihrer Arbeit ablehnen (...). In einem Fall seien dem betreffenden Forscher daraus handfeste Nachteile entstanden“ (S. 151). Der Autor wünscht sich hier eine stärkere Thematisierung ethischer Fragen im Feld, die nach wie vor aussteht – auch in anderen Bereichen wie der Pflege oder der Lehre, wo etwa Demenzkranke und Kinder Forschungsobjekte für die Entwicklung künstlicher Intelligenz sind (vgl. S. 200f.).

Ähnlich wie bei Künstlicher Intelligenz ist auch bei der Sozialrobotik davon auszugehen, dass die nähere Zukunft explosionsartig immense Fortschritte mit sich bringen wird. Das Verdienst von Bischofs Buch ist, dass es die grundsätzliche Frage stellt, wie es zu einem sozialen Roboter überhaupt kommt. Es lohnt, darüber nachzudenken.