Russland und die "NATO-Partnerschaft für den Frieden"

Ausgabe: 1999 | 2

Nur kurz währte die Sinnkrise der NATO am Ende des Kalten Krieges, als vorübergehend die atomare Bedrohung überwunden und eine globale Friedensordnung manchem möglich schien. Neue Bedrohungen (ökologische Krise im Süden; Migrationsbewegungen im Osten), der Golfkrieg und der Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawien verhalfen dem historisch betrachtet teuersten Militärbündnis aller Zeiten zu neuer Legitimation. Mit den beiden zentralen Elementen der Neuausrichtung, der Osterweiterung und einem neu zu entwickeltem Krisenmanagement erzeugte die NATO Druck auf Rußland, dessen außenpolitisches Ziel in der Aufwertung der OSZE bestand, während dem westlichen Militärbündnis Ablehnung bis offene Gegnerschaft entgegengebracht wurde. Mit Hilfe der Partnerschaft für den Frieden (PfP) und des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates (EAPC) wurden Strukturen geschaffen, die beitrittswillige Staaten vorbereiten und Russland einbinden sollten.

Diese Entwicklungslinien werden in Heft Nr. 48 der Zürcher Beiträge thematisiert. Die Autoren gehen davon aus, daß die auf den Kalten Krieg folgende Übergangsphase abgeschlossen und ein neuer strategischer Konsens erzielt worden sei, der es der NATO erlaube, mittels flexibel einsetzbarer Instrumente auf verschiedene Sicherheitsrisiken zu reagieren (S 66 f.). Insbesondere die Einbindung der beiden wichtigsten Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Rußland und Ukraine) und die Überwindung alter Strukturen innerhalb der NATO (Koalitionen auf Zeit, Freiwilligkeit, Bestimmung des Grades der Mitwirkung, etc.) werden als positive strukturelle und institutionelle Anpassungen bewertet. Der PfP wird ein Potential zugeschrieben, das weit über die Warteraumfunktion für neue Mitglieder hinausweist; in den Schlußfolgerungen wird sogar behauptet, die PfP hätte sich bereits zu einem „festen Bestandteil des Geflechts europäischer Sicherheitsinstitutionen etabliert“ (S 71).

Heft Nr. 47 behandelt die Folgen des Auseinanderbrechens der ehem. Sowjetunion und die Aufsplitterung in die 89 Subjekte der Föderation. Mit der Schaffung dieses Föderalismus steht Rußland vor der zentralen Herausforderung, desintegrativen Tendenzen entgegenzuwirken und die Interessen aller Elemente der Gesellschaft und des Staates zu vereinigen (S 41). Dabei wirke v.a. das Fehlen entsprechender Traditionen erschwerend. Die bisherige Praxis, die Abgrenzung der Funktionen und Machtkompetenzen auszuhandeln, steht nicht nur in Widerspruch zur Verfassung, sondern erzeugt gleichzeitig eine Ungleichheit der föderalen Beziehungen und Inkonsistenz (S. 43f). In einem eigenen Kapitel werden die Auswirkungen auf die russische Außen- und Sicherheitspolitik sowie die internationale Bedeutung der Regionalisierungsprozesse thematisiert. Die Asymmetrie der Einbindung einzelner Regionen in das Weltsystem erzwinge zwar generell eine außenpolitische Offenheit; solange jedoch nicht auch schwache Regionen einen spürbaren Nutzen daraus zögen, drohe „eine Rückkehr zu isolationalistischen und protektionistischen Maßnahmen“ (S. 87). Im letzten Kapitel werden Überlegungen angestellt, wie die russische Außen- und Sicherheitspolitik berechenbarer und kooperativer gemacht werden könnten und was der Westen tun kann und soll. Gefordert wird eine langfristig ausgerichtete Stabilisierungspolitik, die allerdings kaum zufriedenstellend beschrieben wird: der Westen soll „flexibler als bisher auf die rasch wechselnden Machtkonstellationen in Moskau reagieren“ (S. 91), Rechtsstaatlichkeit und Demokratie fördern und verstärkt mit den russischen Regionen zusammenarbeiten.

Trotz der tragischen Ereignisse im Kosovo sind die dargelegten Positionen in Kernbereichen durchaus als Beispiele geo-strategischer Analyse relevant. D. P.

Wenger, Andreas; Perovic, Jeronim: Rußland zwischen Zerfall und Großmachtanspruch. Herausforderungen der Regionalisierung. Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung. Heft Nr. 47, 102 S.

Wenger, Andreas; Breitenmoser, Christoph; Lehmann, Patrick: Die Nato-Partnerschaft für den Frieden im Wandel. Entwicklung und Zukunft eines kooperativen Sicherheitsinstrumentes. Heft Nr. 48. Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich 1998. 81 S., je sFr 20,-