“...Und so endet das 20. Jahrhundert auf dem Balkan, wie es begonnen hat: mit dem Kampf um geopolitische Einflußsphären und ökonomischen Zugriff, geführt von den großen Mächten der Welt, die sich des mit nationalistischen Argumenten und Vorstellungen geführten Verteilungskrieges auf dem Balkan wie eh und je bestens zu bedienen wissen.”
Hannes Hofbauer stellt dieses Fazit an den Schluß seines Essays über die Zerstörung Jugoslawiens und bringt damit gleichzeitig die Perspektive auf den Punkt, aus der heraus er die Balkan-Kriege der Neunzigerjahre interpretiert und kommentiert. Neben diesem kontinuierlichen Blickwinkel - die Balkanvölker als Spielball internationaler Interessen - sind es die weitgehend verschwiegenen Seiten dieses Krieges und die Hintergründe des Schweigens, die den/die LeserIn dieses Buches in den Bann ziehen.
Zudem scheut sich Hofbauer nicht, auch Tabus zu thematisieren: Etwa die Rolle des international ausschließlich positiv rezipierten gewaltfreien Widerstandes der Kosova-Albaner, dem er weitgehend nationalistische und nicht politische Motive unterstellt oder die Hintergründe von Massakern von Merkale bis Racak und deren Rolle als Vorboten internationaler Interventionen.
Besonders ins Auge springen die vielen Bonmots, die journalistisch hervorragend aufbereitet, aber auch Grundlage so mancher spitzen Polemik sind. Mögen sie der Analyse der Konfliktes auch sehr nahe kommen, müssen sie sich doch auch dem Vorwurf stellen, zuweilen sehr plakativ zu wirken.
Eingerahmt wird Hofbauers Beitrag von kurzen Essays namhafter Balkanexperten wie Karl Kaser und Gero Fischer, die die historischen Zusammenhänge von den osmanischen Eroberungen zur jugoslawischen Epoche in ihrer monarchistischen und ihrer realsozialistischen Ausprägung verfolgen, Wolfgang Geier, der der Verantwortung der Religionen für die kriegerischen Ereignisse in dieser Region nachspürt oder Michel Chossudovsky, der die wirtschaftlichen Ursachen und Hintergründe der Sezessionskriege analysiert. Von der besonderer Aktualität des Buches zeugt Andre Gunder Franks Beitrag über die völkerrechtlichen Konsequenzen des Alleinganges der NATO auf das internationale Sicherheitsgeflecht. Er rundet einen Band ab, der leicht lesbar und detailliert recherchiert, ein besonders informativer Beitrag zur Beleuchtung der Choreographie der Zerstörung Jugoslawiens darstellt.
HP.G.
Balkankrieg. Die Zerstörung Jugoslawiens. Hrsg. v. Hannes Hofbauer. Promedia, Wien 1999