Regieren in der Informationsgesellschaft

Ausgabe: 1993 | 4

Das Buch, ein Werkstattbericht von 14 hohen Beamten des kanadischen Parliamentary Center for Foreign Affairs and Trade, stellt einleitend fest: "Wir befinden uns inmitten eines grundlegenden ökonomischen und sozialen Wandels, dessen Umfang und Auswirkungen wir nur zum Teil absehen." Dieser Wandel wird vorangetrieben durch das Zusammenwirken verschiedener Entwicklungen der Informationstechnik, durch bessere Ausbildung und Information der Bevölkerung, die zunehmende Bedeutung und Reichweite der Massenmedien, höhere Spezialisierungsgrade einer wissenschaftsorientierten Wirtschaft und eine vielfältigere Infrastruktur öffentlicher und privater Organisationen. Die Werkstatt diskutierte die Auswirkungen dieser sich entwickelnden globalen Informationsgesellschaft auf die Aufgabe des Regierens und bemühte sich, geeignetere und effektivere Verfahrensweisen für Regierungstätigkeit in diesem neuen Umfeld zu erarbeiten. Eine Vielzahl von Faktoren trägt zur heutigen weltweiten Krise des Regierens bei, und einer der überzeugendsten davon ist, daß "viele der Wurzeln der aktuellen Krise in neuen Mustern menschlicher Kommunikation zu finden sind". In der Tat ist eines der bestimmenden Charakteristika der Informationsgesellschaft ihr zunehmender Grad an sowohl innerstaatlicher wie auch grenzüberschreitender Vernetztheit. Im Maß, wie die Gesellschaft zusammenhängender wird, sehen wir uns einem Verlust an Abgrenzungen gegenüber, was die Ordnungsbegriffe fraglich macht, auf denen bisher unser Weltbild beruhte. Je komplexer unsere Gesellschaft wird und je mehr Varianten und Konfigurationen sie zuläßt, desto mehr geraten unsere Regierungssysteme an den Rand ihrer Kapazitäten. Die Diskussionen am Runden Tisch über "Das Regierungssystem in einer Informationsgesellschaft" waren um drei Hauptthemen organisiert: 1) Informationsgestützte Organisationsformen : die grundlegende Aufgabe sei, einen allgemeinen Rahmen von Interpretationen und Zielvorstellungen zu schaffen und umzusetzen, der möglichst vielen Mitwirkenden Innovationen und Lernen ermöglicht (dies begründet wohl auch die Notwendigkeit, so viele Funktionen als möglich zu privatisieren bzw. nach außen zu vergeben, während sich der Staat auf die Formulierung der Rahmenbedingungen konzentriert); 2) Bemühen um Konsens: immer wieder wurde klar, daß gemeinsamen Katalogen von Rahmenbedingungen, Visionen, Mythen, Geschichte(n) und Interpretationen für die Möglichkeit zur Konsensfindung entscheidende Bedeutung zukommt. Übereinstimmung herrschte darüber, wieweit es möglich und wünschenswert sei, die Informationsgesellschaft mit traditionellen gesetzlichen und anderen Regelungsmechanismen zu steuern (als neue Konsensfindungsverfahren wurden u.a. Aktionärsversammlungen, marktorientierte Methoden, schnellere Regelungen oder alternative Konfliktlösungsmodelle diskutiert); 3) strategischer Informationseinsatz: Ständiges Lernen scheint für das Regieren in einer Informationsgesellschaft von zentraler Bedeutung zu sein; sowohl innerhalb wie außerhalb der staatlichen Verwaltung wäre es kontraproduktiv zu versuchen, Daten und Informationen zu steuern - der eigentliche Anspruch wird sein, den Menschen Orientierung im ständigen Prozeß der Interpretation und Sinngebung der auf sie einstürmenden Informationen anzubieten. - Scharfsinnige Überlegungen, die an führenden Denkern und Publikationen ansetzen, insbesondere Harlan Cleveland und Donald N. Michael, die beide Referate bei der Werkstatt hielten. Im Anhang sind diese Beiträge und noch drei weitere dokumentiert. W. R.

Rosell, Steven A. (u.a.): Governing in an Information Society. Montreal: Institute for Research on Public Policy. Herbst 1992. 167 S., Can$ 14,9S.