Ist die Politik in der Lage, gesellschaftlich wünschenswerte Entscheidungen durchzusetzen? Gerät sie nicht in einen Interessenskonflikt, wenn ökonomische und ökologische Argumente mit jeweils guten Gründen nach Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Ziele rufen? Und wer gibt heute verläßliche Entscheidungshilfen in einem zunehmend undurchsichtigen Prozeß weitgehend selbstgesteuerter technischer Entwicklung, die niemand grundsätzlich verneint, und die doch immer deutlicher die Eingrenzung der sie begleitenden Risiken notwendig macht?
Wie C. Zöpel einleitend feststellt, stehen wir heute nicht vor der Aufgabe, uns für oder gegen technologischen Fortschritt zu entscheiden. Dagegen steht - erstmals in der Geschichte - die Frage nach dem wünschenswerten Weg der Entwicklung zur Disposition. Es ist daher entscheidend, Technikauswahl als gesamtgesellschaftliche Verpflichtung zu verstehen, und nicht dem "interessierten Kreis" von Experten zu überlassen, die ihre Option (verständlicherweise) stets als sinnvoll und meist als notwendig darstellen. Um dieser Praxis entgegenzuwirken, fordert K. Traube unabhängige, öffentliche Einrichtungen mit der Aufgabe (und Kompetenz), die Risiken im Forschungs- und Produktionsbereich aufzuzeigen und ggf. Alternativen auszuarbeiten. Auch A. Kuhlmann greift die Notwendigkeit auf, zwischen alternativen Technologien verantwortungsvoll zu wählen, spricht sich aber deutlicher für die kontrollierte Selbstkontrolle der Betriebe aus. In Anlehnung an die deutsche Gewerbeordnung plädiert er für eine bundesweite „Leitstelle für Umweltsicherheit" , um die Durchsetzung einheitlicher Normen und Richtwerte zu erreichen.
Divergierende Standpunkte in wissenschaftlichen wie ethischen Einschätzungen der Genforschung lassen R. Hohlfeld zu dem Schluß kommen, daß die Entwicklung der "synthetischen Biologie" ungeachtet allen Gelehrtenstreits voranschreite, wodurch sich der Mensch vom Entdecker" zum Erfinder der Natur wandle. Überlegungen zu den Risiken gefährlicher chemischer Stoffe in der Industriegesellschaft" (S. Hartwig) und Bedenken gegenüber vorschnellen gesetzlichen Auflagen und Gesetzen, die Kausalzusammenhänge oft außer acht lassen, sind weitere Aspekte des Bandes. Abschließend diskutiert C. Söhret „Technikfolgen als Problem für Politiker", die er typisierend in drei Kategorien gliedert. "Mitläufer", "Freaks" und „Technikfolgen als Problem für Politiker", die er typisierend in drei Kategorien gliedert. "Mitläufer", "Freaks" und "Warner" haben jeweils unterschiedliche Einstellungen gegenüber dem bürokratisch-technologischen Komplex und unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer politischen Rationalität. Dem Typ des "Warners" ist an der Erhaltung seiner Machtposition weniger gelegen als dem Befürworter technologischen Fortschritts, während der "Mitläufer" vorrangig mit der Absicherung seiner Position beschäftigt ist.
Vor allem Böhrets Vorschlag eines „Wissenschaftsgerichtshofs für Technikfolgeanalysen“ verdient das Interesse nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der politischen Entscheidungsträger, die sich freilich in dieser Funktion mit der Rolle des Zuhörers zu begnügen hätten. Lernbereitschaft, Offenheit und soziale Phantasie aller ist nötig, um auf die vielen offenen Fragen auch Antworten zu finden. Dieses Buch, das im Anhang den vollen Wortlaut des Berichts der Enquete-Kommission zu „Einschätzung und Bewertung von Technikfolgen“ vor dem Deutschen Bundestag vom 14.3.1988 enthält, ist dazu ein wichtiger Beitrag.
Technikkontrolle in der Risikogesellschaft. Christoph Zöpel (Hg.) Mit Beiträgen von Klaus Traube u. a. Bonn: Verl. Neue Gesellschaft, 1988. 1438. DM 12,80/sfr 10,90/ ö8 99,80