Politische Streitkultur, Gelassenheit, Existenzialismus

Ausgabe: 1997 | 4

Thema des Buches ist nicht nur die philosophische Debatte um die Postmoderne, vielmehr stehen auch soziale Entwicklungen in den Informations- und Technologiegesellschaften am Ende des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt, oder - nach Schönherr-Manns Diagnose - der "Niedergang der traditionellen Werte". Bei seinen Betrachtungen geht er sowohl auf Ursachen und Folgen des "zweiten Individualisierungsschubes" (Beck) seit Mitte der 60er Jahre ein als auch auf zeitlich frühere Enttraditionalisierungs- und Individualisierungsschübe, deren literarische und philosophische Eckpfeiler etwa Nietzsche oder Sartre darstellen. Wenngleich dieses Vorgehen methodisch und historisch nicht immer ganz einwandfrei ist macht es das Buch abwechslungsreich. Schönherr-Manns Analysen sind nicht von Optimismus gezeichnet. "Das Prinzip Verantwortung entwirft als Idee eine stabile Zukunftsperspektive in der Kulturentwicklung, während die momentan ohne Verhaltensänderung aufscheinende im Chaos ungezügelten technischen Ausuferns und ungebremsten Konsums technischer Güter versinkt." (S.30) Der Autor diagnostiziert, was man in der Soziologie einen ”cultural lag" nennt. Bei immer noch zunehmender Technisierung fehlt ein gleichzeitiger angemessener Wertewandel. aus dem moralische Entwürfe hervorgehen, die Hilfestellungen zur Bewältigung individueller und gesellschaftlicher Krisen beisteuern können. Die Frage, wie in einer oszilierenden Existenz Menschlichkeit zu verwirklichen" sei, läßt sich für Schönerr-Mann nur über eine Wertediskussion beantworten. Für den Autor könnten die ethischen Orientierungspunkte in einer posttraditionalen Gesellschaft folgende sein: Gelassenheit Offenheit, Denken, Hören und Gespräch. Und er ist sich dessen bewußt, daß das dem Einzelnen beinahe zu viel abverlangt. I. B.

Schönherr-Mann, Hans-Martin: Postmoderne Perspektiven des Ethischen. Politische Streitkultur - Gelassenheit -Existenzialismus. München: Fink 1997. 183 S.