Politik für die Biosphäre

Ausgabe: 1991 | 4

Jeremy Rifkin ist Präsident der Foundation on Economic Trends and Greenhouse Crisis Foundation in Washington und hat als Autor von "Time Wars" und neun anderer provokanter Bücher aus dem Themenkreis Technik und Politik aufhorchen lassen. In seinem neuen Buch vertritt er die Anschauung, dass eine Reihe neuer Umweltprobleme aufgetreten sind, deren Wirkungen den ganzen Globus betreffen und die die Zukunft der Zivilisation insgesamt gefährden. Die weltweite Erwärmung, das Ozonloch, der saure Regen, die Abholzung der Regenwälder, die Ausbreitung der Wüsten und das Aussterben von Arten zwingen die Menschheit dazu, sich endlich ernsthaft Gedanken   um ein globales Umweltsicherheitssystem zu machen. Politik für die Biosphäre fasst das Denken dreier großer gesellschaftlicher Strömungen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer gemeinsamen Vision zusammen:

  1. die Bewegungen für eine partizipatorische Demokratie und ökonomische Gerechtigkeit (inkl. der Frauenrechtsbewegung, der Menschenrechtsgruppen und der Initiativen für mehr Demokratie)
  2. die Bewegungen zum Schutz und zur Erhaltung der Umwelt (mit den Tierschutzgruppen und den Initiativen für eine alternative Landwirtschaft); und
  3. die Bewegungen, die sich um heilende Erfahrungen und eine Politik des Übergangs gruppieren (mit den Strömungen für mehr Menschlichkeit, für ein ganzheitliches Gesundheitswesen und dem neuen spirituellen Wiedererwachen in vielen Religionen).

Breiten Raum widmet der Autor Überlegungen über den Zerfall der ideologischen Fundamente, die das Denken der Moderne bestimmten: er identifiziert als solche zum einen die Weitsicht der Aufklärung, die philosophisch die Trennung des Menschen von der Natur begründete; zum anderen das Abgrenzungsdenken, das im 16. Jahrhundert begann und die Menschen voneinander absonderte, indem es u.a. den Begriff des Gemeinguts auflöste - damit wurde etwa das Land eine Ware und heute sind wir bei Bestrebungen angekommen, auch das genetische Gemeingut kommerziell auszuschlachten. Die globale Erwärmung ist der letzte Konflikt im Krieg gegen die Natur - damit trifft die Rechnung ein für das Maschinenzeitalter, für das monströse Wachstum des militärisch-industriellen Komplexes, für die Ausbeutung jeglicher strategischer Ressourcen des Planeten. Weitere Abschnitte befassen sich mit der Enteignung der Familie von ihren Aufgaben durch Industrie und Kommerz, mit den Wohn- und Arbeitsstätten der US-Amerikaner als unersättliche Verbraucher von Rohstoffen und Energie, mit unserem Mobilitätswahn, mit dem Kreuzzug zur Unterdrückung des animalischen Teils der menschlichen Existenz, mit der Flucht aus der Natur in künstliche Umgebungen und der damit einhergehenden Desensualisierung des menschlichen Körpers. Rifkin diskutiert das Aufeinanderprallen des mechanistischen Bewusstseins der Cartesianischen Ära mit den neuen Heilsbewegungen und plädiert für einen Bewusstseinswandel von einer" Geosphärenkultur" (beherrscht von Expansion und Zentralisierung) zu einer „Biosphärenkultur" (deren steuernde Prinzipien die Ideen des Gleichgewichts und der dezentralen Strukturen sind, was einen völlig neuen Denkansatz der Wirtschaftswissenschaften erfordert). Der multinationale Konzern ist das Haupthindernis für eine neue biosphärische Orientierung in Zeit und Raum. Die neue Ordnung schafft dagegen die Waffen ab, sie öffnet die globalen Gemeingüter für alle, indem sie Ökosysteme in die Obhut öffentlicher Treuhandschaft stellt und die Ressourcen unserers Planeten gerecht zwischen den lebenden und den künftigen Generationen teilt. So wird auch ein neu es WeItsicherheitssystem möglich, das nicht mehr auf dem Todestrieb beruht, sondern als biosphärische Sicherheit den Todestrieb mit dem Lebenstrieb versöhnt. "Wenn wir uns entschließen, uns wieder als Teil der Natur zu verstehen, treffen wir als einzelne und als Art eine Entscheidung für das Leben ... Wir stehen heute vor dieser Entscheidung ... ", Ein ehrgeiziges Werk, das weit in Zeit und Raum ausholt. Rifkins bestes Buch.

Rifkin, Jeremy: Biosphere Politics. A New Consciousness for a New Century. New York, NY/USA: Crown Publishers, 1991.3885., $ 20,- (= Politik für die Biosphäre. Ein neues Bewusstsein für ein neues Jahrhundert)