Leitfäden zu Mitbestimmungsverfahren

Ausgabe: 1999 | 2

Trotz oder - genauer betrachtet - wohl wegen des beobachtbaren Vertrauensverlustes in die Politik wurden im Verlauf von gut 30 Jahren im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl Mitbestimmungsverfahren entwickelt bzw. erprobt, die darauf abzielen, bürgerschaftliches Engagement mit in die Gestaltung kommunaler Prozesse einzubinden. In Fragen der Umwelt-, Verkehrs- und Stadtteilplanung betroffenen BürgerInnen die Chance zur aktiven Mitwirkung bei der Problemerfassung und -lösung unter Einbeziehung von erforderlicher Sachkompetenz, geltenden Normen und Gesetzen zu ermöglichen, kann mittlerweile gewissermaßen als Standard eines offenen gesellschaftlichen Diskurses betrachtet werden, den einzuüben und zu festigen von allen Seiten Lernbereitschaft, Engagement und den Willen zu tragfähigen Kompromissen erfordert.

Mit der Konzeption und Umsetzung der Reihe „Leitfaden“ hat sich die Akademie für Technikfolgenabschätzung die Aufgabe gestellt, eine kompakte und primär auf Allgemeinverständlichkeit abzielende Darstellung des verfügbaren Repertoires von Beteiligungsverfahren vorzustellen und einzelne Methoden auch ausführlicher vorzustellen. Der erste Band dieser Reihe beschreibt nach einer grundsätzliche Erörterung des Ansinnens und einem knappen Exkurs auf die  Grundzüge der von Jürgen Habermas entwickelten Theorie des rationalen Diskurses (mit den Kategorien Mandat, Zeit, Offenheit, gleiche Rechte und Pflichten, Bereitschaft zu Wissen und Lernen u.a.m.) insgesamt 34 (!) Verfahren und Methoden partizipatorischer Entscheidungsfindung. Dabei werden formelle Verfahren (Beiräte, Bürgerbegehren und -gutachten, Petition, Anhörung und Befragung) ebenso skizziert wie informelle Beteiligungsverfahren: Von „Anwaltsplanung“, „Battelle-Modelle“, „C.E.A.T.“ und „Citezens Jury“, der „Konsensus-Konferenz“ und dem „Laienworkshop“ ist ebenso die Rede wie von „Runden Tischen“, „Szenario-Workshop“ und vhs-Bürgerforum. „Zukunftskonferenz“ - und -werkstatt beschließen die Reihe, in der nur wenige Lücken (wie „Community Organizing“ oder „Open Space“) aufscheinen. Ein durchgehendes Raster (Merkmale / Einsatzmöglichkeiten / Ablauf / Akteure / Durchführungsträger / Expertenunterstützung / Adressaten / Aufwand / Praxisbeispiele / weiterführende Literatur) ist ganz auf Transparenz und Vergleichbarkeit hin angelegt.

Vor allem für Kommunalverwaltungen und politische Entscheidungsträgern steht so ein wertvolle Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Verfügung, der breite Resonanz zu wünschen ist. Dies gilt nicht minder für die in gleicher Aufmachung erschienenen Beiträge über das in den USA entwickelte Konzept „Fokusgruppe“, (8 Personen diskutieren strukturiert und unterstützt von einem Moderatorenteam über ein vorgegebenes Produkt oder Anliegen) sowie für das von Peter Dienel (Wuppertal) entwickelte und vielfach erfolgreich durchgeführte Modell „Planungszelle“, das sich u. a. durch die per Zufall rekrutierten Mitwirkenden und ein hohes Maß an professioneller Unterstützung auszeichnet. Auf die angekündigten Folgebände über „Konsensus-Konferenz“, „Mediation“ und „Lokaler Szenario-Workshop“ darf man zu Recht gespannt sein. W. Sp.

(Pro Band DM 14,-. Bezugsadresse: Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Industriestr. 5, 70565 Stuttgart, Tel. 0711/9063-221, Email: info@afta-bw.de, http://www.afta-bw.de)

Beckmann, Jens; Keck, Gerhard: Beteiligungsverfahren in Theorie und Anwendung. Hrsg. v. d. Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg. Stuttgart, 1999. 95 S.

Dürrenberger, Gregor; Behringer, Jeannette: Die Fokusgruppe ... 1999. 103 S.

Bongardt, Horst: Die Planungszelle ... 1999, 58 S.

Mitbestimmungsverfahren, die bürgerschaftliches Engagement in die Gestaltung kommunaler Prozesse einbinden. sind inzwischen Standard eines offenen gesellschaftlichen Diskurses