Klaus Woltron und die Suche nach dem Ganzen

Ausgabe: 1992 | 4

 Wenn ein Spitzenmanager wie Klaus Woltron - er ist Generaldirektor der ASEA Brown Boveri AG Österreich - mit der zerstörerischen Eigengesetzlichkeit des Zinswesens den Wechsel der Ökonomie "von einer Bedürfnisbefriedungsmaschinerie zu einer überwältigenden [und zerstörerischen Angebotsmaschine" benennt, ist Aufmerksamkeit geboten. Zentrale Einsichten alternativer Wirtschaftstheoretiker von einem erfolgreichen Unternehmer zu hören, der nicht davor zurückschreckt, sich der Mühe des Schreibens zu unterziehen, "um mein unklares Weltbild für mich selbst besser zu konturieren", verdient Respekt. Dass Woltron trotz - oder auch wegen - umfassender Lektüre (von Capra über Ditfurth, Dürr, Ferguson über Lorenz bis hin zu Toffler und Vester reicht die Reihe der zitierten prominenten Vordenker eine "anderen Zukunft") Verunsicherung öffentlich bekennt, wirkt sympathisch. Auch wenn der Versuch, aus der verwirrenden Vielfalt der zentralen Fragen und Begriffe des Zeitgeistes Chaos, Kreativität, Selbstorganisation, selbsterfüllender Prophezeiung u.v.a. m. - einen Zopf zu flechten, in dem "Trockenes und Blutvolles, Kaltes und Heißes ... " kunstvoll ineinander verwoben sein sollten, nur bedingt gelingt, so ließe sich durch den propagierten "Rückbau in die Zukunft" der eine oder andere Teufelskreis durchbrechen. Zusammengefasst sind es folgende sechs Maximen

  • Begünstigung der Vieldimensionalität
  • Aufbau einer neuen Sparsamkeit
  • Aufbau eines neuen Idealismus
  • Schwerpunkt Qualität
  • Reintegration der Gesellschaft
  • Konzentration auf die Pädagogik

 und drei zusätzliche Gebote, mit denen der Autor für eine auf das Überleben ausgerichtete Gesellschaft wirbt, in der Motivation, Begeisterung und Liebesfähigkeit an die Stelle von Depression und Entfremdung treten sollen. Dass Woltron dort, wo er konkrete Lösungsansätze diskutiert, wiederholt vor der eigenen Zuversicht zurückschreckt - "Es ist eine Illusion, anzunehmen, dass erneuerbare Energiequellen [in absehbarer Zeit] einen nennenswerten Beitrag zum Energieaufkommen liefern werden" =, ist mit Bedauern festzuhalten. Dennoch: ein aufrecht Suchender, der so manchen noch selbstsicheren "Macher" mit seinen Argumenten und hoffnungsvollen Zweifeln infizieren könnte: ist er allemal. W. Sp

Woltron, Klaus: Der Wald, die Bäume und dazwischen. Die Suche nach dem verlorenen Ganzen. Wien (u.a.): Orac, 1992. 208 S., DM 39,80 / sFr 38,20 / öS 298,-