Katastrophenbewältigung im sozialen Umfeld

Ausgabe: 1993 | 1

Am Ausgang des Jahrhunderts ist unsere Lage auch ohne Krieg (als die schrecklichste aller Katastrophen) und ohne "sociaL hazards" (Alkohol, Drogen, Kriminalität) schlimm genug. Allein der Blick auf Bhopal, Basel, Tschernobyl, viele Fast-GAUs und zuletzt eine Reihe von Tankerunfällen zeigt, daß der Mensch und sein Handeln immer häufiger eine Katastrophe für die Natur ist. Die Zahl der Menschen, die in kritischen Umweltsituationen leben müssen, nimmt ständig zu. Ein Schadensausmaß von ca. 40 Mrd. Dollar in den 70er Jahren gilt dem Autor als "Zins", der für die Nutzung risikoreicher Gebiete entrichtet werden muß, und es ist zu befürchten, daß sich Zahl und Ausmaß technologisch-zivilisatorischer Defekte noch weiter vermehren. Naturkatastrophen sind für Geipel, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der DFG für die" Internationale Dekade für Katastrophenvorbeugung " (1990-2000), nur ein erster, relativ einfach anmutender Ausgangspunkt für eine Gefährdung und oft unwiderrufliche Zerstörung unserer Umwelt. Hazardforschung muß seiner Einschätzung nach verstärkt auch das soziale Umfeld einbeziehen. Nach einem Überblick über die Geschichte der Disziplin, beginnend bei der Befassung mit Hochwasserkatastrophen nach dem Zweiten Weltkrieg, werden Aspekte der Mobilität, der internationalen Hilfe sowie die Regelung von Entschädigungsansprüchen erörtert. Insgesamt zeigt sich, daß notwendige Maßnahmen zu Vorsorge, Warnung, Evakuierung und Wiederaufbau nur im interdisziplinären Kontext erarbeitet und mit Erfolg durchgeführt werden können. Anhand einer Reihe regionaler Fallstudien wird anschließend das Zusammenwirken bei der Entstehung und Bewältigung von Katastrophen gezeigt. Im Mittelpunkt stehen Erdbeben (Friaul), Vulkanausbrüche (Mt. St. Helen), Erdrutsche (Tuve/Göteborg), Buschfeuer, Saheldürren, Hagelstürme (München) und Winterstürme. Ein Vergleich von natürlichen und vom Menschen verursachten Katastrophen nach Größe und Häufigkeit zeigt im globalen Maßstab auch, daß die überwiegende Zahl Menschen bedingt ist, vielfach aber als unvermeidbare Schattenseite von Fortschritt und Bequemlichkeit hingenommen wird. Nicht zuletzt wird das Interesse für die vom Menschen mit verursachten Katastrophen als Störung unseres Wohlstandsdenkens eingestuft. Ihm tritt Geipel insofern entgegen, als er nicht im üblichen ingenieurtechnisch-naturkausalen Denkrahmen verbleibt, sondern Zusammenhänge begreifbar macht. AA

Geipel, Robert: Naturrisiken. Katastrophenbewältigung im sozialen Umfeld. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1992. 2925., DM 69,- / sFr 58,50/ öS 538,20