Kaum stehen Frauen auf Wahllisten, kaum lächeln sie von Wahlplakaten, schon wird die Frage diskutiert: wollen/können sie ernsthaft(e) Politik betreiben oder sind sie ohnehin nur als Aufputz der männlichen Kandidatenriege gedacht. Inge Volk gehört zu jenen Wählerinnen, die sich jahrelang mit eben dieser Frage beschäftigt haben. Sie entschloss sich, Politikerinnen selbst zu Wort kommen zu lassen, wobei sie die Fragen, die sie namhaften Politikerinnen aus allen bundesrepublikanischen Fraktionen stellte, breit streute. Die Fäden waren gelegt, die Antworten ergaben ein buntes Gewebe von unterschiedlicher Farbgebung, Webart, Musterung und Akzenten. "Wenn dieser Globus noch eine Chance haben will, muss sich das weibliche Prinzip durchsetzen", meinte Carola von Braun Vorsitzende der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. Sie sprach hier, wie viele andere befragte Politikerinnen. das Kopf-Bauch-Verhältnis bei Frauen bzw. Männern an: bei ersteren sei es austarierter integrierter, bei Männern "passiere" es gelegentlich. ohne Absicht. Einig sind sich die Frauen auch darin dass ihre männlichen Kollegen eher in Karriere-Seilschaften hängen, in Fraktionszugehörigkeiten denken und agieren. Frauen gingen, so einige der Befragten, beständiger und zuverlässiger an Probleme heran, wären risikobereiter. denn noch hätten sie ja weniger zu verlieren. Bei genauer Betrachtung der Biographien der zu Wort kommenden befragten Politikerinnen wird jedoch klar, wieviel sie schon erreicht haben - eine Charlotte Fera, Michaela Geiger, Adrienne Goehler, Waltraud Schoppe oder Rita Süssmuth. "Ich glaube, weibliche Politik ist etwas Visionäres, unter den gegenwärtigen Umständen haben wir noch keine originär weibliche Politik. Es gibt Facetten, die es lohnt, zusammenzutragen, um daraus ein Bild zu entwerfen", meint Adrienne Goehler. und bringt somit auch Anspruch und Grenzen des Buches auf den Punkt. C. F.-R.
Volk, Inge: Gibt es eine weibliche Politik? Gespräche mit Politikerinnen. Weinheim: Beltz Quadriga 1992. DM 24,80 / sFr 21,- / öS 193,40