Geschlechter - Frauen, Männer und der kleine Unterschied

Ausgabe: 1998 | 2

Der Beitrag "Der kleine Unterschied", ausgestrahlt im ORF-Wissenschaftsmagazin "Modern Times" und die kontroversen Debatten, die dieser Film auslöste, waren der Anlaß für dieses Buch. Die Autorinnen - Journalistin die eine, Biologin die andere - begeben sich damit auf das (gar nicht neue) Minenfeld der biologischen Geschlechterunterschiede. Die neueren Forschungsergebnisse sollen die traditionellen Rollenklischees entkräften und zu einer Entgiftung des Klimas zwischen Frau und Mann beitragen. So werden einige einschlägige Studien von Gehirnforscherinnen vorgestellt.

Die Krux bei der Sache: Wie schon in der Geschichte sind nicht die Ergebnisse sexistisch, sondern ihre Interpretation. Neben biologischen Unterschieden werden also ethnologische Reste aufgespürt, um den Unterschied zwischen den Geschlechtern zu erklären.

Ein Beispiel: Pornos mit Vergewaltigungsszenen werden Männern und Frauen gezeigt. Beide - Männer und Frauen werden dadurch stimuliert. Nun wird abgelehnt, daß Frauen gerne Vergewaltigung erleben. Denn:  es "hat noch keine, die wirklich Opfer einer Vergewaltigung wurde, angegeben, dabei sexuell erregt worden zu sein". Diese fehlende sexuelle Erregung führen die Autorinnen nicht etwa darauf zurück, daß das Erleben von Gewalt eben Gewalt ist und nicht Lust, sondern der Grund ist, daß "körperliche und seelische Lust bei Frauen eine Einheit bilden" (S. 152). Zwar weisen die Autorinnen darauf hin, "daß Männer nicht nur schwer an ihrem Erbe aus der Steinzeit tragen, sondern auch noch gelegentlich ziemlich steinzeitlich damit umgehen" (S. 153).

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt aber beim Lesen des Buches: Wozu eigentlich dient die Gehirnforschung, wenn sie (wiederum) zu solchen Ergebnissen kommt? Und: gibt es "den Mann" und "die Frau" denn wirklich? Sind nicht manchmal die Unterschiede zwischen Frauen und zwischen Männern größer als zwischen Mann und Frau?

Als Ausweg aus dem Dilemma und für eine lebbare Vielfalt der Geschlechter schlagen die Autorinnen Koedukation vor, die sie als "eine der klügsten Reformen des Schulsystems in den letzten Jahrzehnten" (S.261) bezeichnen. Daß die feministische Schulforschung dies seit gut 10 Jahren gar nicht so klug findet. wird nicht erwähnt.


S. A.

Riedl, Sabina; Schweder, Barbara: Der kleine Unterschied. Warum Frauen und Männer anders denken und fühlen. Wien (u.a) Deuticke 1997.294 S.,DM 39,/ sFr 36,- / öS 283,-