Nach dem Versuch einer objektiven Darstellung dessen, was machbar ist und was erreichbar sein wird, aber auch dessen, was wir noch nicht im Griff haben, weist Nagl nachdrücklich auf die Grenzen der Biologie hin. Dabei geht es nicht in erster Linie um technische, sondern um geistige und ethische Grenzen. "Nur durch Erkennen und demütiges Anerkennen dieser Grenzen wird die Gentechnologie den Weg der Atomphysik vermeiden können und nicht zur Entstehung einer ,genetischen Atombombe', einer ,biologischen Kernspaltung' ( ... ) führen." Die wichtigste Frage ist dabei, ob wir alles Machbare auch tun dürfen.
Nagl meldet Zweifel an, ob die Forschung nur zum Nutzen der gesamten Menschheit beitrüge. Seiner Ansicht nach gibt es viele Wissenschaftler, "die ein sehr lokal begrenztes Wohl begehren, für die Macht die Erhaltung ihrer Privilegien bedeutet". Deshalb plädiert er für die aktive Selbstkontrolle. Notwendig ist auch die Abkehr vom analytischen, zerstörerischen Denken und Hinwendung zu synthetischem, ganzheitlichem Denken, "in dem die Grenzen der Wissenschaft erkannt werden und das dem Menschlichen, dem Gefühl, dem unmittelbaren Erleben, den nichtmateriellen Werten wieder zu Geltung und Recht verhilft". Folgende Tendenzen zeichnen sich für die Zukunft ab: die Verknüpfung der Gentechnologie mit der Mikroelektronik, interdisziplinäres Teamwork und die starke Förderung eines raschen Technologie-Transfers. Gefahren sieht der Autor in der extremen Verarmung der Natur durch die Eingriffe des Menschen.
Folgt man Konrad Lorenz, für den der Mensch im Evolutionsprozeß das Zwischenglied zwischen Tier und humanem Wesen ist, dann heißt es endgültig Abschied nehmen vom egozentrischen Weltbild der Selbstüberschätzung und des Machbarkeitswahns. Dann muß die Ehrfurcht vor dem Leben als zentrale Frage gentechnologischen Fortschritts unser Handeln bestimmen. Dabei geht es nicht nur um eine begleitende Risikoforschung, sondern um eine wirksame Kontrolle der Gentechnologie-Anwendung. Wie dies in Zeiten industrieller Geheimhaltung durchzuführen ist, muß noch erkundet werden.
Nagl, Walter: Gentechnologie und Grenzen der Biologie. Darmstadt: Wissenschaft. Buchgesellschaft 1987.210 S. (Dimensionen der modernen Biologie; 1) DM 31,60/ sfr 26,80 / öS 247,-