Gentechnik für die Dritte Welt

Ausgabe: 1991 | 4

Die Titel-Frage berührt eine der drängendsten wissenschaftlichen und ethischen Fragestellungen. Klaus M. Leisinger hält mit seiner Antwort nicht hinter dem Berg: "Eine Ablehnung der Gentechnik aufgrund ihrer Risiken würde die Dritte Welt mit ihren schier unvorstellbar großen Problemen nicht in eine risikolosere Zukunft, sondern erst recht ins Verderben führen". Die besondere Stärke dieses Buches besteht nun darin, dass der Autor sich seine Antwort nicht eben leichtmacht, und den Leser an seinen Zweifeln, am kaum abwägbaren Für und Wider teilhaben lässt. Mehr noch, er stellt die unauflösbaren Verknüpfungen (welt)wirtschaftlicher Abhängigkeiten, drohender Überbevölkerung, planetarer Umweltzerstörunq und politischer Verantwortlichkeit in all ihrer Komplexität in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Eine klare Absage an verheißungsvolle Rhetorik und billige Polemik in Bezug auf ein Thema, das in seiner Tiefe niemand völlig durchschaut. Einer Analyse wichtiger entwicklungspolitischer Probleme und ihrer Ursachen folgt die Auseinandersetzung mit Nutzen und Risiken der Gentechnik für die Dritte Welt. Keine wissenschaftliche Faktensammlung kommt dabei heraus, sondern eine Untersuchung aus dem Blickwinkel des interessierten Soziologen, der den Überblick wahren möchte. Damit ist sein Buch sehr laienfreundlich, es sei aber gerade deshalb Wissenschaftlern dringend anempfohlen. Denn ein wesentlicher Bestandteil sind Leisingers Überlegungen zum gesellschaftlichen Wertewandel, der den ehemals unerschütterlichen Glauben an den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nachhaltig erschüttert. Er stellt unmissverständlich klar, dass die Gentechnologie immer nur Bestandteil einer weitaus umfassenderen Strategie sein kann, die die vernetzten Ursachen der Probleme der Dritten Welt zum Ausgangspunkt nimmt. "Prävention ist, zumindest auf lange Frist, billiger und umweltverträglicher als die gen- und biotechnologische Reparatur einer zerstörten Natur." . Das Buch beschließt ein Kapitel über" Desiderata" Wünsche, Hoffnungen bezüglich der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung, die ohne ethische Grundlagen nicht auskommen wird. Von der Entwicklung neuer Rechtsnormen bis zur „Neubewsrtunq von Sitte und Sittlichkeit" entwickelt Leisinger eine ganze Reihe bedenkenswerter Überlegungen zu einem anderen Umgang mit Mensch und Natur. Unbestritten bleibt für ihn, dass dies eine Entwicklung mit der, nicht gegen die Wissenschaft sein muss.

Leisinger, Klaus M.: Gentechnik für die Dritte Welt. Basel: Birkhäuser-Verl., 1991. 1745., DM 39,80 / sFr 33,70/  öS 310,40