Eingreifendes Denken

Ausgabe: 2001 | 3

Die AutorInnen dieser Festschrift, allesamt Freunde und WeggefährtInnen von W. F. Haug, verstehen sich so wie dieser in der Tradition eines „Eingreifenden Denkens“ (Bertolt Brecht) und für den Anspruch, die Aktualität marxistischen Denkens zu demonstrieren. Die einzelnen Beiträge thematisieren in diesem „Projekt radikaler Kritik“ Fragen aus den Feldern der Ästhetik und Kulturtheorie, der Kapitalismus- und Hegemonietheorien sowie der Philosophie. Volker Brauns dem Jubilar gewidmete Gedicht „Totentänze“, dass mit Utopie, Kommunismus, Volkseigentum, Ideologie, Klassenkampf, Solidarität und Kunst jene Themen anschneidet, die für Haug und sein Verständnis eines „Pluralen Marxismus“ über die Jahrzehnte zentral waren, steht den Einzelbeiträgen voran. Im Weiteren ist der Band in 4 Teile gegliedert:

Einleitend werden im Teil I von G. Labica, O. Negt und E. Wulff „Freundschaftslinien“ skizziert, die an den großen Projekten von Haug, der Zeitschrift „Das Argument“ und dem „Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus“ anschließen.

Teil II behandelt die Politik des Kulturellen. Peter Weiss’ berühmter dreibändiger historischer Roman „Ästhetik des Widerstands“ über den Kampf der kommunistischen Widerstandsgruppen in Deutschland, die politische Dimension des Ästhetischen im Werk von Pieter Bruegel d.Ä., die Dialektik der Verfremdung, Antonio Gramscis „Rückkehr zu De Sanctis“, der hilflose Antifaschismus der Romanistik und marxistische Ansätze in der Musikforschung werden hier thematisiert, um einen „produktiven Gebrauch einer Vergangenheit und einer Geschichte [einzufordern], „die nicht nur dargestellt oder erinnert, sondern durch eine neue Zukunft unserer Gegenwart wiederangeeignet wird“. (S. 70).

Gesellschaftstheorie mit Marx ist Thema des Teils III, im dem u. a. P. G. Casanova für eine Neubegründung der Ausbeutungsforschung im Sinne einer universalen, pluralen, deliberativen und partizipativen Demokratie plädiert, W. Küttler die Bedeutung einer Formationsanalyse anhand der postkommunistischen Situation erläutert, um zu Fragen nach möglichen Hegemoniekonstellationen und -alternativen zu gelangen, und F. Deppe die Klassendimension des Politischen aufzeigt. N. Räthzel versucht Ethnizität mit Marx zu begreifen, um dadurch Fragen in anderer Perspektive zu formulieren. F.O. Wolf stellt die Frage nach der Neudefinition der Arbeit „auf der Suche nach gangbaren Wegen einer Rückgewinnung von Reformpolitik, die wirkliche Problemlösungen nicht in ein revolutionäres Jenseits projizieren will“ (S. 217).

Im Teil IV steht schließlich der „Kampfplatz Philosophie“ im Zentrum. Hier geht es um Brechts Bacon, über Marx’ Feuerbachthesen aus 1845 über den „alten“ und „neuen“ Materialismus, den Hegemoniebegriff Gramscis (insbesondere im Vergleich zu Althussers Ideologiebegriff), um die gesellschaftstheoretische Analyse der Philosophie und um die Dekonstruktion der postmodernen Ikone Nietzsche. D. P.

Eingreifendes Denken. Wolfgang Fritz Haug zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Christoph Kniest ... Münster: Westfälisches Dampfboot, 2001. 381 S., DM 48,- / sFr 44,50 / öS 350,-