Dritte Welt im Aufbruch

Ausgabe: 1992 | 4

Die Hoffnung auf eine sichere, gerechtere und menschlichere Zukunft hat sich in der Dritten Welt noch nicht erfüllt. Grundprobleme wie Wasserknappheit, Bevölkerungsexplosion, Hunger, katastrophale Umweltbelastungen und Völkerwanderungen wurden vom "Wind des Wandels" nicht erfasst. Durch den Wegfall der Dominanz des Ost-West-Konflikts ist jedoch eine enorme Dynamik der Veränderung vorhersehbar. In Regionen- und Länderporträts geben Korrespondentinnen (von ARD, ZDF, Die Zeit) ein Bild der aktuellen Lage und loten Entwicklungsrichtungen aus. Drei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit steht in Afrika die Befreiung von politischer und ökonomischer Misswirtschaft noch immer aus. Afrika, so Uwe Kröger, langjähriger Leiter des ZDF-Studios in Kenia, verleite zum Pessimismus. Notwendig ist die" Entkolonialisierung des Geistes". Ähnlich gelagerte Probleme beherrschen Lateinamerika. Der Anteil am Welthandel sinkt ständig, die Kapitalflucht steigt sintflutartig, die Auslandsverschuldung liegt bei 420 Mia. US-Dollar. Gründe dafür sieht Rolf Pflücke, Redaktionsleiter Außenpolitik des ZDF, nicht nur in den Auslandsinteressen, sondern v. a. im skrupellosen Verhalten der einheimischen Oligarchien. Für die Zukunft wird entscheidend sein, ob es gelingt, die staatlichen Bremsen wirtschaftlicher Entwicklung zu lockern. Mit Blick auf "die lange Nacht Arabiens" meint Rudolf Radke, Fernsehjournalist und Buchautor, dass die Zukunft in dieser Region nur bewältigt wird, wenn politische Kräfte nicht mehr unterdrückt werden. Ägypten wird als Beispiel für den richtigen Weg angesehen. Dort werden die Muslimbrüder vorsichtig in die Politik einbezogen. Ungewiss scheint die Zukunft Chinas aufgrund des Hanges zu festen Hierarchien und autoritären Führerpersönlichkeiten. Indien droht den Anschluss zu verpassen. Japan gilt als Lehrbeispiel dafür, welches Potential in der Entwicklungshilfe, verstanden als begleitende Hilfe zu eigener Anstrengung, steckt. Eines wird jedenfalls deutlich: Es gibt zur Problemlösung keine einheitliche und einzige Strategie, ebenso wenig wie Demokratisierung ein Allheilmittel sein kann. Damit der "zweite Aufbruch" gelingen kann, ist jedoch Hilfe zur Selbsthilfe notwendiger denn je. Die Einsicht, dass die herkömmliche Entwicklungspolitik vielfach fragwürdig und oft kontraproduktiv ist, nützen die Autorinnen für weitere Vorschläge, um eurozentrischen Perspektiven zum Durchbruch zu verhelfen. Alfred Auer

Dritte Welt im Aufbruch. Eine Bestandsaufnahme. Hrsg. v. Rudolf Radke. Freiburg (u.a.): Ploetz, 1992. 2545., DM 39,80 / sFr 33, 70/ öS 310,40