"Luxus der Hoffnungslosigkeit" nennt die nicaraguanische Dichterin Gioconda Belli dieses europäische Phänomen, das sie und ihre Landsleute sich aus Gründen des nackten Überlebens nicht leisten können. Warum nimmt in unseren Breiten dieser Luxus so überhand? Die großen Visionen gingen verloren oder demontierten sich in ihrer Realisierung selbst. Darum oder daneben verbreitet sich die resignative oder zynische Haltung zusehends, daß der einzelne da nichts machen könne. Was setzen D. Sölle und F. Steffensky in ihrem Gespräch mit M. Mettner dagegen?
Sie halten für alle, die sich den Glauben an die Kostbarkeit des Lebens und die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Veränderung in Richtung Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde und Respekt vor der Mit-Welt nicht nehmen lassen, Utopien und Visionen für unverzichtbar. Verbal können diese in “Hoffnungsqeschichten" realisiert und lebendig erhalten werden. Sie erzählen von jenen, die durch persönliches Engagement schon einmal (Teil-)Erfolge hatten; etwa Kinder, die sich an ihrer Schule erfolgreich gegen Getränke in Dosen wehrten, Protestaktionen gegen Gorleben oder die Zerstörung der Hainburger Au organisierten. Solche Aktivitäten erfordern meditative und praktische Arbeit. Diese hat ihre Triebkraft in Wut und Mut, die als Töchter der Hoffnung bezeichnet werden; jene hingegen haben für Sölle und Steffensky ihr Fundament in jüdisch-christlicher Tradition fundiert.
Trotz allem machtpolitischen Mißbrauch der biblischen Aussagen im Laufe der Jahrhunderte und in der Gegenwart sehen die Gesprächspartner Mettners im christlichen Glauben über Schattierungen und Auffassungsunterschiede in Detailfragen wird ausführlich diskutiert - eine historisch erprobte Grundlage, um das Brecht-Wort alle Kreatur braucht Hilf' von allen" zu realisieren. Steffensky bedauert dabei, daß "die Frommen ... nicht links, die Linken ... nicht fromm" sind, und hofft in dieser Hinsicht auf Läuterung.
S. Sch.
Sölle, Dorothee; Steffensky, Fulbert: Wider den Luxus der Hoffnungslosigkeit. Hrsg. v. Matthias Mettner. Freiburg (u.a.): Herder. 1995. 126 S. (Herder Spektrum; 4257) DM 1 sFr 12,801 öS 100,-