Die sechste Milliarde. Weltbevölkerung & Nachhaltigkeit

Ausgabe: 1999 | 4

1960 lebten drei Milliarden Menschen auf der Erde. In nur 25 Jahren wird die Weltbevölkerung voraussichtlich schon auf acht Milliarden Menschen angewachsen sein. Mit den vielfältigen Ursachen und den fatalen Auswirkungen dieses exponentiellen  Bevölkerungswachstums beschäftigt sich dieses Buch des Baseler Entwicklungssoziologen Leisinger.

Leisingers Überlegungen nehmen ihren Ausgang von der Theorie des demographischen Übergangs. Danach normalisiert sich das Verhältnis zwischen Sterbe- und Geburtenrate im Idealfall im Verlauf dreier Phasen. In der ersten Phase sind die Sterbe- und Geburtenraten hoch. Danach sinkt die Sterblichkeit bei unvermindert hoher Fruchtbarkeit. Erst in der dritten Phase fallen die Geburtenraten auf ein niedriges Niveau. Dieses Modell ist allerdings auf die Länder der Dritten Welt nicht oder nur bedingt anwendbar. Leisinger nennt dafür mehrere Gründe. In der Dritten Welt leben wesentlich mehr Menschen als im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts. Außerdem sind die Möglichkeiten zur Auswanderung äußerst beschränkt. Und durch den medizinischen Fortschritt sind die Sterberaten schon jetzt relativ gering. Viele Gesellschaften der Dritten Welt sind deshalb in eine “demographische Falle” geraten.

Damit sind die Ursachen des Bevölkerungswachstums aber nur unzureichend erklärt. In einigen Fällen sind religiöser Traditionalismus und schlichte Unkenntnis ausschlaggebend für die hohen Geburtenraten. Kinderreichtum erleichtert es zudem den Patriarchen, ihr Regime über die Frauen aufrechtzuerhalten. Außerdem dienen Kinder zur Sicherung der Altersvorsorge. Bis zu einem bestimmten Grad ist eine hohe Kinderzahl also ökonomisch sinnvoll. Erst im Verlauf der gesellschaftlichen Modernisierung kehrt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis um.

Die Studie enthält nichts bahnbrechend Neues. Ihr 130-seitiger Mittelteil über die ökologischen Folgen des Bevölkerungswachstums fügt sich nicht recht in die Gesamtkonzeption ein. Und die Erklärungskraft ihres eher grobschlächtigen theoretischen Ansatzes ist begrenzt. Dennoch ein informatives und gut formuliertes Buch.

F. U.

Leisinger, Klaus M.: Die sechste Milliarde. Weltbevölkerung und nachhaltige Entwicklung. München: Beck, 1999. 362 S., DM 24,- / sFr 22,- / öS 175,-