Die Autoritäre Revolte

Ausgabe: 2018 | 1
Die Autoritäre Revolte

Die Neue Rechte und der Untergang des AbendlandesIn die Entwicklung des nationalen Denkens führt Volker Weiß in seinem Buch „Die Autoritäre Revolte“ ein. Genauer gesagt stellt er die Traditionslinien der gegenwärtigen identitären Spielart des nationalistischen Denkens vor. Diese geht vor allem auf die Zeit der Konservativen Revolution zurück, einer Version rechten Denkens, die vor allem in der Zwischenkriegszeit antidemokratische Kräfte zusammenfasste. Besonders wichtig ist hier Armin Mohler. Weiß zitiert Mohler: „Wir werden alles nur Menschenmögliche tun, um nie zwischen Ost und West, zwischen Liberalismus und Kommunismus wählen zu müssen. (…) Jede Diktatur ist verächtlich, aber verächtlicher noch ist jede Dekadenz. Eine Diktatur kann uns morgen als Individuen vernichten. Dekadenz jedoch vernichtet unsere Überlebenschancen als Volk.“ (S. 41) Weiß zeichnet die Zusammenhänge mit dem aktuellen Denken der radikalen Rechten nach.

Heute begegnet uns dieses Denken oft im Gewand des Ethnopluralismus, bei dem der Trennung der Menschen nach Ethnien das Wort geredet wird. Diese sollen demnach homogen sein und ihre vermeintlichen Eigenarten gegen externe Einflüsse oder deren Verfall (Dekadenz) verteidigen. Universalismus ist somit nicht gut angeschrieben.

Weiß belässt es aber nicht bei der Darstellung der Ideengeschichte der Neuen Rechten, wie die Adepten dieses Denkens oft genannt werden, er arbeitet zudem viele Widersprüche dieser Denk-Gemeinschaft heraus.

Ein Beispiel ist die Inkonsistenz bei der Verwendung des Begriffes des „Abendlandes“, der gerne bemüht wird – ein Mythos, dessen Lesarten miteinander nicht kompatibel sind: „Bei aller Wechselhaftigkeit des Abendland-Diskurses von der „lateinischen Berufung auf Vergil, der katholisch geprägten Romantik bei Novalis, über die jungkonservativen Versuche einer Wiederbelebung der Reichsidee, den Antikommunismus, in dem das Schisma mitschwang, bis hin zur heutigen Rhetorik, die Putin zum Retter erkoren hat – sein Zugang zur Geschichte bleibt dem Mythos verhaftet.“ (S. 180) Auch die Bezüge zu „Ost“ und „West“ verändern sich immer wieder, stehen oft sich widersprechend nebeneinander. War lange Zeit der barbarische Osten der Feind, so ist er heute aufgrund der vermeintlichen ethnischen Homogenität Hoffnungsgebiet der Rechten. Russland erfreut sich besonderer Beliebtheit, die Toleranz des Westens, in dem Weltoffenheit die vorherrschende ökonomische und gesellschaftliche Lebensweise ist, wird hingegen abgelehnt.

Im Kern führt aber das Denken des Ethnopluralismus zu Ähnlichkeiten der „Neuen Rechten“ mit anderen politischen Bewegungen, von denen sich diese Gruppen gerne distanzieren. Natürlich ist damit der politische Islamismus gemeint. Auch dieser postuliert  die Unveränderbarkeit der ererbten gemeinschaftlichen Werthaltungen; Offenheit für Veränderung wird weder einen Nationalisten noch  einen Islamisten auszeichnen. Im Vergleich zu den universalistischen Werthaltungen habe der Islam eine Identität, wenn auch eine andere. Die Neue Rechte hat deswegen vor ihm mehr Respekt als vor den Ideen des Liberalismus und dessen Prinzip der universellen Menschenrechte. (S. 225)

Diese Nähe wird auch klar, wenn die Neue Rechte diskutiert, wer denn ihr Feind sei. Von Carl Schmitt wird die Unterscheidung zwischen dem „wirklichen“ und dem „absoluten“ Feind übernommen. Der „wirkliche Feind“ ist sichtbar, es ist das Fremde, er ist erkennbar durch eigene Identifikationsmerkmale. Der Islam ist demnach ein wirklicher Feind der deutschen Rechten. Der „absolute Feind“ hingegen sind die Kräfte im eigenen Bereich, die sich nicht zu den Identitätskriterien der Gemeinschaft bekennen. Das ist in der Regel der westliche Universalismus, der in unseren Gesellschaften wirkt. Er unterläuft die nationale Identifikation und ist daher mit aller Kraft zu bekämpfen.

Weiß‘ Buch ist hervorragend, weil es nicht nur den zurzeit bedeutenden rechten Kanon versteht, sondern gleichzeitig seine Inkonsistenzen benennt und seine gern verhüllte Ablehnung unserer Lebensweise transparent macht. Die Neue Rechte verteidigt nicht, wie wir leben, sie will uns eine andere, einheitliche, idente Form des Lebens vorschreiben. Stefan Wally

 

Bei Amazon kaufenWeiß, Volker: Die Autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017. 303 S., € 20,- [D],20,60 [A] ; ISBN  978-3-608-94907