Rechts gewinnt, weil Links versagt

Ausgabe: 2019 | 1
Rechts gewinnt, weil Links versagt
Schlammschlachten, Selbstzerfleischung und rechte Propaganda:

De-Lapuente-Recht-gewinnt-weil-Links-versagtRoberto J. De Lapuente ist Blogger in Deutschland und eng vernetzt mit der linken Szene. Mit dieser geht er in seinem Buch hart ins Gericht – nicht die differenzierte Analyse, sondern eine Abrechnung mit dem linken „Versagen“ in einem sprachlich sehr lockeren Blogger-Stil steht im Vordergrund. Der Verlust der Arbeiterklasse als Wählerreservoir, das Unvermögen, Rechtspopulisten die Stirn zu bieten, das Verzetteln in irrelevanten Richtungskämpfen, das Setzen auf Toleranz – anstelle auf Gerechtigkeitsthemen –, all das sieht De Lapuente als Grund, warum die Linke gegenüber den Rechten an Terrain verliert.

Deutschland bietet unter dem Vorwand der „Alternativlosigkeit“ einer wachsenden Anzahl von Menschen keine materiellen Zukunftsperspektiven mehr – während die Linke vor allem ideologische Toleranzdebatten führt. „Und das ist meines Erachtens tatsächlich das große Dilemma, in das sich die Linke (…) begeben hat. Sie führt sich als Ideal auf. Nicht als handfeste Alternative im Verteilungskampf. Dabei ist genau das ihr Metier immer gewesen. Heute kann man behaupten: Idealistisch läuft, materialistisch hinkt es“ (S. 40).

Das heißt, dass die Linke ihre Kernaufgabe nicht mehr wahrnimmt, nämlich den ökonomischen Verwerfungen einer Gesellschaft offensiv zu begegnen. Stattdessen übt man sich in Konsumkritik, Ökologismus und Toleranz. Im schlimmsten Fall komme es zur Verunstaltung sozialdemokratischer Ideen durch den „Dritten Weg“, der letztendlich die Linke in die Arme des Neoliberalismus getrieben und damit ihren Niedergang eingeläutet habe. Besonders kritisiert der Autor linke „Fundis“, die jegliche Form des politischen Kompromisses ablehnen und dabei ein Ideal eines Menschen kreieren, dass in der Lebenswirklichkeit der DurchschnittsbürgerInnen keine Rolle spielt – etwa wenn es um die totale Ablehnung von Konsum geht, der ein Grundbedürfnis darstellt, dessen Verteufelung eher was von katholischer Körperphobie als linkem Denken habe.

Linker Moralismus und Grundsatzdiskussionen

Ebenso lehnt De Lapuente jenen linken Moralismus ab, der gleich einmal einen Großteil der WählerInnen aus der Arbeiterklasse vertreibt – vor allem, wenn es in Diskussionen nur mehr um Grundsätzlichkeiten geht, etwa wenn man sich hingebungsvoll der Frage nach Gender-Toiletten oder genderneutralen Ampeln widmet. Der Autor dazu: „Und das sind nur zwei Beispiele, wie man ein eigentlich ernstes Anliegen der Lächerlichkeit preisgibt. Deswegen sind sie aber nicht überflüssig. Das Problem ist nur, dass man diese Themen unter vielen Linken, auch unter gemäßigten übrigens, überbetont und als Metafragen verkauft. Die eigentliche Metafrage jeder linken Politik bleibt hierbei leider mal wieder auf der Strecke: Wie kriegen wir sozialen Ausgleich und – wenn es gut läuft – sogar soziale Gerechtigkeit so hin, dass sie als gesellschaftlicher Stabilisator wirkt?“ (S. 128)

Der Fokus vieler linker Gruppierungen auf Fundamentalopposition löst keine Probleme, so der Autor. Dazu gehört auch das Ausrufen von „Feindgruppen“ und das Diskreditieren von Andersdenkenden mit den üblichen Vorwürfen des Rassismus, Sexismus, Antisemitismus. Dabei würden banale Aussagen oft mit Subtext überladen, die Empörungsmaschinerie läuft an – mit dem Kollateralschaden der Entpolitisierung. Eine „politische Nicht-Politik“ konstatiert De Lapuente hier (vgl. S. 140). Dazu gehören auch völlig aus der Luft gegriffene politische Konzepte, die allenfalls als Schlagworte brauchbar seien, etwa das beliebte „Kapitalismus/NATO/EU-der-Konzerne abschaffen“. Viel mehr komme dann aber nicht – eine große Vision, wie bestehende Systeme reformiert werden könnten, bleibt aus, und damit auch ein echtes Distinktionsmerkmal zur scheinbar „alternativlosen“ Mitte oder der Neuen Rechten.

Innere Widersprüche

Die Linke hadert laut De Lapuente auch mit einer Reihe von inneren Widersprüchen – etwa in der regelmäßigen Kritik an der Polizei und damit auch an der Schutzfunktion des Staates: „Den Polizeikader zu dezimieren, die Menschen sich selbst zu überlassen, wie das besonders unter autonomen Linken eine beliebte Forderung ist, stellt an sich keine sinnige Parole im Sinne linker Vorstellungen dar. Schutz zu bieten: Das ist links. Ihn im Gegensatz dazu abbauen zu wollen, weil man die exekutiven Kräfte als vermeintliches Hemmnis des wahrhaftig ethischen Potenzials der Menschen begreift, das ist der harmonische Kitsch von Pilcher-Romantik auf links gedreht: mehr aber auch schon nicht.“ (S. 176f.)

Wie geht es also weiter mit der Linken? Es braucht einen linken Weg, der die Gerechtigkeitsfrage wieder ins Zentrum stellt und die neoliberale Deutungshoheit durchbricht. Es braucht eine linke Vision eines vereinten Europas, das nicht nur Konzerninteressen gilt. Es gilt, materielle Perspektiven wieder ins Zentrum der Diskussion stellen. Realpolitik anstelle einer nie stattfindenden Revolution – gerne in Form einer sozialen Marktwirtschaft, wie sie der Rheinische Kapitalismus umsetzte. Und nicht zuletzt: Entspannung statt Verkrampfung, das Ende von Dogmen, auch bei Toleranzthemen: „Die Verbiesterung am linken Rand ist jedenfalls keine Alternative für Deutschland“ (S. 207).

Von Stefan Wally

 

De Lapuente, Roberto J.: Rechts gewinnt, weil Links versagt. Schlammschlachten, Selbstzerfleischung und rechte Propaganda. Frankfurt/M.: Westend, 2018. 221 S., € 18,- [D], 18,50 [A]