Mathias Rohe

Der Islam in Deutschland

Ausgabe: 2017 | 1
Der Islam in Deutschland

Der Islam gehöre zu Deutschland, postulierte einst der deutsche Kurzzeitpräsident Christian Wulff. Die AFD hat kürzlich in ihrem Parteiprogramm das Gegenteil behauptet. Welche Rolle spielt der Islam in Deutschland wirklich? Der Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe hat ein umfassendes Buch zu dieser Frage vorgelegt, mit Fakten, die einen scharfen Kontrast zu den medial und politisch transportierten Bildern von Muslimen in Deutschland bilden.

Der Islam ist seit der Arbeitsmigration der 1960er- und 70er-Jahre in Deutschland präsent. Der Blick der deutschen Gesellschaft auf die Religion hat sich erst mit dem 11. September 2001 verschoben: Seitdem wird der Islam vor allem als Gefahr für Europa wahrgenommen. Rohe betont jedoch, dass die befürchtete „Islamisierung“ bei maximal 5,2 Prozent Muslimen in Deutschland ein irrationales Schreckgespenst ist. Dazu kommt, dass bei weitem nicht alle Muslime religiös sind und sich ein Leben nach islamischen Regeln wünschen. Muslimisches Leben gestaltet sich also äußerst vielfältig.

Gleichzeitig spricht der Autor Integrationsprobleme offen an und betont, dass viele Muslime konservativ-traditionalistische Einstellungen pflegen. Solche Einstellungen sind durchaus kritisierbar. Allerdings spielen sozio-ökonomische Faktoren eine wichtigere Rolle als Religionszugehörigkeit, was häufig ausgeblendet wird (S. 111). In Bezug auf islamischen Extremismus bezieht der Autor klar Stellung: „Im Umgang mit Extremismusgefahr ist der Rechtsstaat aufgefordert, einerseits seine Grundlagen zu verteidigen, andererseits aber auch rechtliche Maßstäbe zu wahren” (S. 173).

Kritisch betrachtet Rohe aktuelle Tendenzen, die Sichtbarkeit von Muslimen im öffentlichen Raum zu begrenzen, wie die Debatten über Moscheebauten, Kopftücher oder Schächten zeigen. Die meisten Muslime hätten kein Problem damit, die deutsche Demokratie im Einklang mit ihren religiösen Werten zu bringen.

Das Buch schließt mit einem Plädoyer für eine differenzierte Betrachtungsweise des muslimischen Lebens in Deutschland: „Statt pauschaler Urteile und Stereotypen von Verteufelung und Idealisierung benötigen wir als Leitmotiv für Begegnungen und Beurteilungen im gesellschaftlichen Zusammenleben wie auch in der wissenschaftliche Aufarbeitung bei allen Beteiligten nur: Fairness“ (S. 321).