Der Generationsbetrug

Ausgabe: 1996 | 3

Wir kennen sie mittlerweile zur Genüge, die Warnungen vor dem moralischen Verfall der Jugend, die sich nur mehr dem Konsumerleben hingibt und das Interesse für Politik und gesellschaftliches Engagement immer mehr verliert. So problematisch die meist an der Oberfläche verharrenden Umfragen sind - mit dem vorliegenden Band paßt der 25jährige Wirtschaftsstudent Jörg Tremmel (sein erstes Sachbuch hatte er bereits mit neunzehn zum Thema Sexualmoral und Jugend verfaßt) so gar nicht in den Trend der erwachsenen Meinungsforscher. In vielen Details listet der junge Autor auf, was die Erwachsenen den nachkommenden Generationen an Hypotheken überlassen, insbesondere durch die schleichende und teilweise unwiederbringliche Zerstörung der Natur (dieser ist der Großteil des Buches gewidmet), aber auch durch die die Gesellschaft Deutschlands zunehmend blockierende Verschuldung der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungssysteme. Tremmel greift heiße Eisen an, wenn er den politischen Opportunismus gegenüber der immer größer werdenden Gruppe der Alten problematisiert, dem er etwa die neueingeführte, von ihm kritisierte Pflegeversicherung zuschreibt. Mit der Forderung nach genereller Zurückdrängung des Staates im Sozialbereich macht er seine Nähe zur FDP deutlich, deren Jugendfraktion er offensichtlich angehört; mit Vorschlägen wie einer Solidarabgabe für reiche Pensionisten bereichert er die Umverteilungsdiskussion um eine provokante Facette. Tremmel plädiert für Lobbyarbeit der Jungen und hat klare Vorstellungen: Sendezeit für Jugendliche im Fernsehen; Verlage, die Bücher von Jugendlichen drucken; ein Bundestag, in dem Jugendliche ihre. Stimme erheben können. Was die globalen ökologischen Probleme anlangt, glaubt der Jungautor, der   mit Gleichgesinnten und Jugendorganisationen eine "Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen" gründen will, nicht mehr daran, daß jene, die derzeit an den Schalthebeln der Macht sitzen (darunter auch die ,,68er"), den Kurswechsel herbeiführen werden, sondern setzt auf seinesgleichen: "Wir Jungen müssen uns klar machen, daß wir selbst die Veränderungen herbeiführen müssen, anstatt darauf zu warten, daß die alten Politiker es tun." Lösungsvorschläge für die Ökokrise und die Problematik des Bevölkerungswachstums enthält der zeitgleich fertiggestellte, demnächst erscheinende Folgeband über einen "Weg in eine nachhaltige Welt". H.H.

Tremmel, Jörg: Der Generationsbetrug. Plädoyer für das Recht der Jugend auf Zukunft. Frankfurt/M.: Eichborn, 1996. 174 S.