
Catrin Misselhorn, die als Professorin für Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen tätig ist, nennt als Schwerpunkte ihrer Forschung und Lehre die Bereiche Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Technikphilosophie, Philosophie des Geistes, der Sprache und der Kultur. Ihre jüngsten Publikationen fokussieren sich dabei vor allem auf Roboter- und Maschinenethik sowie philosophische Probleme der künstlichen Intelligenz (KI). In diesem neuesten Essay widmet sich Misselhorn der Frage, welche Bedeutung KI für das breite Feld der Kunst hat, welche Herausforderung neuste Entwicklungen mit sich bringen. Die Autorin schreitet dabei strukturiert durch Kernelemente der Debatte, indem sie sich etwa mit dem Verständnis von Kunst an sich auseinandersetzt und eruiert, inwiefern KI-Kunst eben dieses Verständnis herausfordert; indem sie zur Diskussion stellt, welche Rolle es spielt, ob Menschen oder KI Kunstwerke hervorbringen; indem sie nach Autorschaft und ästhetischer Verantwortung fragt, den Unterschied von KI-Kunst, Fake und Fälschung erklärt. Dabei rekurriert sie etwa auf Denker:innen wie Arthur C. Danto, Roland Barthes, Hannah Arendt und Walter Benjamin, nennt aktuelle Beispiele und kontextualisiert die gesellschaftliche Kritik an diesen in einem historischen wie gegenwärtigen Kontext. Misselhorn arbeitet heraus, dass „Autorschaft für die Identität und den Status von Kunstwerken entscheidend [ist]. KI kommt hingegen keine Autorschaft zu, weil sie weder im individuellen noch im kollektiven Sinn ästhetische Verantwortung übernehmen kann“ (S. 93). KI-Generiertes kann demnach nur dann Kunst sein, wenn die Gesamtperformance betrachtet wird, wenn ähnlich wie bei der Konzeptkunst nicht nur das wahrnehmbare Resultat, sondern auch die dahinterstehende Konzeption betrachtet wird (vgl. S. 74). Herausfordernd ist offensichtlich, dass mit dem massenhaften Auftreten sogenannter KI-Kunst zwar nicht die Kunstdefinition an sich, wohl aber die Kunstpraxis in Frage gestellt wird. Misselhorn arbeitet prägnante Zukunftsszenarien heraus, die aufzeigen, dass sich Künstler:innen bedroht sehen, wenn deren Möglichkeiten zu kreativer Lebensgestaltung massiv beschnitten werden. Sie schließt die Abhandlung, die ein guter Einstieg in die Thematik ist, mit den Worten: „Wie es letztlich mit der Kunstpraxis weitergehen wird, entscheiden wir durch unseren Umgang mit der Kunst heute“ (S. 136).