"Meine Generation hat vor allem eine Tugend entwickelt, an der es in der deutschen Geschichte immer mangelte: das Dagegensein. "Dagegensein" bedeutet für den revolutionären Adel der 50er-Generation, so präzisiert Horx im Entree der politischen wie kulturellen (Auto)Biographie dieser Generation, "mehr als nur Aufmüpfigkeit oder die übliche jugendliche Pose Als erste Generation dieses Jahrhunderts ohne Krieg aufgewachsen, zu jung für die Gründerzeit der 68er Revolte - der Autor war 13 Jahre alt, als Benno Ohnesorg erschossen wurde - war sie jedoch alt genug, um noch "die alte Welt kennenzulernen - eine Welt, deren Existenz für das Entstehen der Revolte maßgebend war". Am Beispiel von Johannes Eberhard alias Joe wird im Rahmen einer kleinen Bewegungs-Historie Glanz und Elend eines Außenseiters skizziert: Joe, typisches Kind seiner Klasse, betritt anfangs der 70er Jahre das Subkultur-Terrain der Politikfreaks, das in dieser Zeit eine unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet: Wer auf sich hält, muß in einer der unzähligen Initiativ-, Aktions-, Selbsterfahrungs-, Putz-, Straßentheater- oder Jugendzentrums-Gruppen dabei sein. Joe zieht in eine Wohngemeinschaft im alten Hinterhof-Fabrikgebäude und versucht sich nach dem Prinzip ”trial und error" unter Verzicht auf jede Perfektion in diversen Berufen. Das damals verheißene kollektive "Wir-Gefühl" zeigt später im Zusammenhang mit der "Lobbyisierung der Gesellschaft" erneut Wirkung. Lobbyisierung meint jenen Prozeß, in dem immer mehr und immer gegensätzliche Interessen auf den Plan treten und sich selbst zu organisieren suchen: So haben sich Lurchbiotopler und Golffanatiker zweifelsohne in der Obrigkeit emanzipiert, allein durch ihre Weigerung, "kleine Leute" zu sein. Horx nimmt dies als Beweis dafür, daß im sozialen Laboratorium der 70er Jahre die Vielfalt der heutigen Gesellschaft ausgeknockt wurde. Dieser durch die Politikfreak-Ära provozierten Vielfalt stellt der Autor Joes Ringen um ein entsprechendes Lebensdesign im Sinne konsequenter Emanzipation gegenüber; Joe zappelt 20 Jahre nach Beginn der Revolte noch immer in den langen Fäden der Vergangenheit. Seine Generation, die wie keine andere das Nicht-Normalie, das Andere suchte, hat durch ihre "Tugend des Dagegenseins auf seltsam fundamentalistischen Umwegen dafür gesorgt, daß aus dem Erbe unserer Väter, dem verknöcherten, vordemokratischen Wirtschaftswunderland der Wirrwarr unserer Tage wurde".
Horx, Matthias: Aufstand im Schlaraffenland. Selbsterkenntnisse einer rebellischen Generation. München (u.a.): Hanser, 1989. 216 S.