Schwarzbuch Globalisierung

Ausgabe: 2002 | 4
Schwarzbuch Globalisierung

Schwarzbuch Globalisierung viele Verlierer wenig GewinnerGleich zu Beginn benennt Jerry Mander vom „International Forum on Globalization“ ohne Umschweife das Ziel dieses Buches: zu klären, wie sich die rasch voranschreitende Globalisierung auf unser Leben auswirken wird, dass sie „aufgehalten und so bald wie möglich rückgängig gemacht werden muss“ (S. 9). Der Wirtschaftswissenschaftler spricht von einem „konzerngesteuerten Kolonialismus, dem die armen Länder und die Armen in den reichen Ländern unterworfen werden“ (S. 129). Er kritisiert die trügerischen Versprechungen der Globalisierungsbefürworter („Wenn dies ein rationaler Prozess ist, dann rationalisiert er eine schockierende Ungleichheit des Profits“ (S. 21) sowie die Vernebelungsstrategien der Medien, die dieses Buch notwendig gemacht hätten.

Die Mehrzahl der insgesamt  27 Beiträge dieses „Schwarz-buchs“ gelten den „Triebkräften“ und „Auswirkungen“ der Globalisierung. Beschrieben werden Fehlentwicklungen in der internationalen Steuerung („Das Scheitern von Bretton Woods“), der Wandel zur „Kasinoökonomie“ durch die Ausbreitung des elektronischen Geldes, die problematischen Strukturanpassungsprogramme von IWF und Welt-bank, aber auch der „Modernisieurngs- und Globalisierungsdruck“ auf lokale Kulturen sowie die ökologischen Kosten der wirtschaftlichen Globalisierung.

Besonderer Erwähnung gebührt den „Ausblicken“ des dritten Abschnitts des Buches. Mitherausgeber Edward Goldsmith, Gründer der Zeitschrift „The Ecologist“, benennt als einzig nachhaltigen Weg für unsere Erde, wieder zu einer stärkeren Lokalisierung unseres Wirtschaftens zu finden. Er wird bestärkt durch Helena Nordberg-Hodge, die eine Fülle von politischen Maßnahmen für einen Richtungswechsel von „globaler Abhängigkeit zu lokaler Interdependenz“  auflistet. Ein weiterer Beitrag beschreibt ein Konzept eines bewussten Protektionismus für lokale Wirtschaftsstrukturen als Kontrapunkt zu Freihandel und inter-nationaler Wettbewerbsfähigkeit. Der Ernährungswissen-schaftler Tim Lang und der Koordinator von „Protect the Local, Globally“, Colin Hines, fordern darin ein Allgemei-nes Abkommen für nachhaltigen Handel (GATS) sowie eine demokratische Weltlokalisierungsorganisation (WLO). Sie entkräften – was sehr hilfreich ist – auch die gängigen Einwände gegen eine Beschränkung des Freihandels (Ineffizienz, Abschottung gegenüber Entwicklungsländern, romantische Autarkievorstellungen).

Das vorliegende „Schwarzbuch“ gibt einen spannenden Einblick in die Vielfalt der globalisierungskritischen Bewegungen im angloamerikanischen Raum (deren Stärken in faszinierender Weise etwa von Naomi Klein nach dem Motto „Ein Nein und vieles Jas“ beschrieben werden). Selbstverständlich sind auch internationale Größen der Bewegung wie Martin Khor, Vandana Shiva und José Lutzenberger mit Beiträgen vertreten. Die deutsche Aus-gabe wurde überdies bereichert mit Ausführungen hierzu-lande bekannter Ökologen: Carl Amery stellt „Vermutungen über das Seelenleben von Globalisieren“ an, Wolfgang Sachs, der mit seinem Buch „Planet Dialectics“ (1999) auch im englischsprachigen Raum breit rezipiert wurde, rückt die Globalisierung in den Kontext der Nachhaltigkeit, wobei er letztere als klaren Verlierer ausmacht. Hermann Scheer schließlich benennt systemische Grenzen der „globalen Wirtschaftsliberalisierung“: Zum einen würden Regierungen „aus schierem Machterhaltungsinteresse“ aufgrund der zunehmenden Legitimationskrise zu regio-nalen Wirtschaftskonzepten zurückkehren, zum anderen würde – und das ist für Scheer noch zwingender – das Versiegen der fossilen Rohstoffe zur erneuten Dezentrali-sierung des Wirtschaftens führen. Dem Buch sind viele LeserInnen zu wünschen, stellt es doch dem latenten Unbehagen an den gegenwärtigen, immer weniger durch-schaubareren Entwicklungen eines gigantomanischen „Raubtier-Kapitalismus“ (Spiegel) die klare Botschaft entgegen: „Eine andere Welt ist möglich.“ H. H.

Bei Amazon kaufenSchwarzbuch Globalisierung. Eine fatale Entwicklung mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. Hrsg. v. Jerry Mander ... München: Riemann, 2002. 523 S., € 24,90; ISBN 3-570-50025-X