Ruiniert die Vermögenskonzentration den Sozialstaat?

Ausgabe: 1994 | 2

Der Autor geht der Frage nach, ob Deutschland der Bezeichnung Sozialstaat gerecht wird, und stellt nüchtern fest, dass der Staat den durch die Verfassung erteilten Auftrag, für einen Ausgleich sozialer Gegensätze zu sorgen, nicht erfüllt hat, da er es "von Anbeginn an versäumt [hat], für einen Abbau der Vermögenskonzentration die Weichen zu stellen". Glaubt man den Erklärungen und Statistiken, so setzte in den letzten drei Jahrzehnten eine Entwicklung ein, die den Grundvoraussetzungen des Sozialstaates zuwiderläuft und "einen höchst befremdlichen und alarmierenden Tatbestand" anzeigt. Durch die Angriffe auf die "Kleinen" werde, so Stopp, nur vom Versagen der Regierung (z. B. Überschuldung, Subventionen an unrentable, überalterte Industriezweige) und Teilen der Industrie abgelenkt.

Nicht hohe Löhne und Sozialleistungen, sondern das Festhalten an alten Strukturen, sei das Hauptproblem. Die Beseitigung der Armut, die zu sozialen Konflikten und zu Gewalt führt, ist nach Ansicht des Verfassers nicht nur eine ethische, sondern auch eine ökonomische Frage, da sich das Nachlassen der Kaufkraft bei einem immer größer werdenden Anteil der Bevölkerung wieder negativ auf die Wirtschaft auswirkten. Um ein Abflachen der hohen Einkommensunterschiede zu erreichen, wird z. B. ein gesplitteter MWSt-Satz, die Anhebung der Einkommenssteuerfreigrenzen oder der Entgelte der niedrigsten Tarifgruppen vorgeschlagen. Modelle wie "Negativsteuer", Sozialeinkommen, Grundsicherung und Sozialrente sollen die soziale Sicherheit garantieren.

Arbeitszeitverkürzung könne wachsende Arbeitslosenraten verhindern, zudem sei panische Angst vor dem Nullwachstum übertrieben, da dieses nicht zu einem wirtschaftlichen Chaos, sondern nur zu Besinnung und Aufatmen führen und viele befürchtete Krisen ausbleiben würden. Die Bedeutung dieses Buches, in dem in verständlicher Sprache wirtschaftliche Zusammenhänge zumindest ansatzweise begreiflich gemacht werden, besteht m. E. darin, dass es dem absurden Wahn ständigen quantitativen Wachstum eine langfristig tragfähige Politik der Qualitäts- und Produktivitätssteigerung entgegensetzt und, durchaus gegen den Ungeist der Moderne gewendet, dazu aufruft, dem Mehr an Leistung und Verdienst ein Mehr an frei verfügbarer Zeit entgegenzusetzen.

B. Ö.

Stopp, Konrad: Wider die Raffgesellschaft oder Wie der Sozialstaat noch zu retten ist. - München: Beck, 1994. 139 S. (Beck'sche Reihe; 1065) DM 14,80/sFr 13,60/ÖS 116