In den letzten Jahren ist es um Robert Jungk ruhig geworden. Seine Bücher – immerhin darunter Bestseller wie „Die Zukunft hat schon begonnen“ (1952), „Der Atomstaat“ (1977) und „Menschenbeben“ (1983) – werden nicht mehr aufgelegt und selbst in der grünen Bewegung, die er mit auf den Weg gebracht hat, wird kaum mehr auf ihn Bezug genommen. Es mag sein, dass jedes Zeitalter seine Helden, seine Leitfiguren und Weg-Weiser hat, und schon die nächste Generation sich an anderen Personen orientiert. Es mag sein, dass Jungk eine Persönlichkeit war, deren Wirkung vor allem in ihrer Präsenz bestand, es mag sein, dass die Vielfalt der Themen, mit denen er sich befasst hat, einer anhaltenden Bezugnahme im Wege steht. Nach meiner Überzeugung jedoch gilt, was Rolf Kreibich in seinem Beitrag formuliert hat: „Das Projekt Zukunft sollte also zum Ruf werden: Befasst Euch mit Robert Jungk, es lohnt sich zur Gewinnung von Einsichten, Orientierung und Mut zur Zukunft.“ (S. 146)
Es fällt naturgemäß schwer, die gesamte thematische Breite dessen, womit sich der „Zukunftsmensch“ Robert Jungk befasst hat, in einem Band abzudecken. Den Herausgebern ist dies aber in vorzüglicher Weise gelungen. Der Band, publiziert zur Feier seines hundertsten Geburtstags, atmet den Geist Jungks, er widmet sich den Themen, für die er sich einsetzte, und die Artikel greifen Grundgedanken Jungks auf.
Haupttenor Jungks war stets, dass trotz allen Gefährdungen eine bessere Welt möglich sei, dass es sich lohnt, sich für sie einzusetzen, und dass die Veränderungen „von unten“, von den Betroffenen selbst ausgehen müssen. Ob wir uns allerdings dem Ziel einer besseren Welt in den letzten Jahrzehnten genähert haben, ist unter den Autoren des Bandes umstritten. Klaus Firlei etwa diagnostiziert mit auffällig ungrammatikalischem Elativ, dass „die Weltprobleme unlösbarer denn je“ werden (S. 197), dass im heutigen, vom globalisierten Kapital bestimmten Kapitalismus die Gestaltungsspielräume (weiter) geschrumpft seien. Dagegen zeigen Ernst Ulrich vonWeizsäcker und Franz Alt, dass wir auf dem Gebiet von Umwelt und Energie bereits viel gewonnen haben. Die Energiewende sei ein Beispiel dafür, wie ehemals utopisch-visionäre Ideen doch gegen alle Widerstände durchgesetzt werden können.
Robert Jungk hat sich stets als Anreger und Ermutiger verstanden und größten Wert auf die soziale Phantasie gelegt. Vielleicht sein wichtigster Beitrag zur Zukunftsforschung ist aus dieser Perspektive die Etablierung der Zukunftswerkstätten als einer Methode, den Stimmlosen Stimme zu geben und den Ungehörten Gehör zu verschaffen. Wie Norbert Müllert beschreibt, war das seinerzeit ein heftiger Paradigmenwandel: Die Zukunft gehörte nicht mehr den Experten allein. Laien traten als Experten in eigener Sache auf – auch für die Erkenntnis von Zukünftigem. So gesehen trug Jungk zur Entstehung der „Mitmachgesellschaft“ bei, die Horst W. Opaschowski in zehn „Zukunftsperspektiven“,
zentralen Aspekten, darstellt.
Es ist hier nicht der Platz, auf alle Artikel im Detail einzugehen. Die Spanne – von der Notwendigkeit einer Reform der politischen Ordnung Europas (AndreasGross) über Perspektiven des Pazifismus (EkkehartKrippendorff), Bildungsfragen (Marianne Gronemeyer), Soziale Plastik (Hildegard Kurt) bis zu Kulturpolitik im Denken Jungks (Olaf Schwencke) – entspricht jedenfalls der Breite von Jungks Engagement. Aber es muss besonders hervorgehoben werden, dass in drei Beiträgen dem Leser auch „Bob“, so wie er leibte und lebte, ganz nah vor Augen geführt wird. Mattias Greffrath erinnert sich an die Anfänge der Anti-Atom-Bewegung. Karl-Markus Gauß blickt auf Begegnungen mit Jungk in Salzburg zurück. Und in dem Zwiegespräch, das Walter Spielmann mit Peter S. Jungk, dem Sohn, der als Romancier bekannt geworden ist, führt, tritt manche weniger bekannte Seite des „Zukunftsmenschen“ hervor.
Die Zukunftsforschung ist heute eine halbwegs etablierte Disziplin. Als Zukunftswissenschaft, die sich mit hochgradig relevanten Fragen von Energiesystemen, nachhaltigen Managementstrategien und der Bewältigung des demographischen Wandels befasst, hat sie jedoch die großen menschheitsgeschichtlichen, halb utopischen Perspektiven ein Stück aus den Augen verloren, für die Robert Jungk wie keiner sonst stand: Eine andere Zukunft ist möglich. KarlheinzSteinmüller
Projekt Zukunft. 14 Beiträge zur Aktualität von Robert Jungk. Hrsg. v. Klaus Firlei u. Walter Spielmann. Salzburg: Otto Müller Verl., 2013. 310 S., € 27,- [D,A], sFr 37,80 ; ISBN 978-3-7013