Der Prozess der grenzenlosen „Mondialisierung" unserer Lebenswelt, wie ihn Boff charakterisiert, ist durch Wirtschaft und totalen Markt dominiert. Sie instrumentalisiert Ideale und Spiritualität genauso wie Kriege und Politik, aber auch die von westlicher Rationalität geprägten technokratischen Konzepte. "Weltweit setzt sich ein und dieselbe Sprache im Dialog mit der Natur durch - die wissenschaftlich-technische Diktion." Diesem scheinbar unaufhaltsamen Trend zur „neuen Welt(un)ordnung" will der Autor eine "planetarische Kultur" und das dazu erforderliche Bewußtsein entgegensetzen.
Statt „New Age", Flucht in einen irrationalen Internationalismus oder auch einem Christentum in der Krise der eurozentrischen Orientierung zählt er auf "molekulare Revolutionen, die in kleinen Gruppen und Gemeinschaften beginnen, die ein Interesse an Veränderung haben". Bei aller Nähe zur „weltethos“-Konzeption des europäischen Universitätslehrers Hans Küng und zu seinen Kollegen aus allen führenden Religionen spürt man in Boffs Vision die stärkere Nähe zu den christlichen Basisgemeinschaften und ihrem Überlebenskampf. Er hofft allerdings auch auf die verantwortliche Ordnungsmacht einer Weltregierung, die sich aus der UNO, ihrem Sicherheitsrat und der Weltbank heraus entwickeln könnte. Brasiliens nach dem neoliberalen Wahlsieg prolongierte Krise stellt das Bündnis von parteiunabhängigen Intellektuellen, Arbeiter- und Indianervertretern vor eine harte Bewährungsprobe.
M. Rei.
Boff, Leonardo: Eine neue Erde in einer neuen Zeit. Plädoyer für eine planetarische Kultur. Düsseldorf: Patmos, 1994. 1245., DM 22,80 / sFr 23,80 / ÖS 178