Öl, das blutige Geschäft

Ausgabe: 2010 | 4

Am 20. April 2010 kam es aufgrund verschiedener schwerer Versäumnisse zu einem Blowout, bei dem die Plattform „Deepwater Horizon“ in Brand geriet und infolgedessen zwei Tage später unterging. Nach jüngsten Erkenntnissen der US-Behörden ist die dadurch verursache Ölpest die größte Katastrophe dieser Art in der Geschichte. Nach Schätzungen liegt die ausgetretene Menge bei bis zu 780 Millionen-Liter Öl. Soweit der aktuellste Anlass für die Besprechung über das „blutige Geschäft mit dem Öl“.

 

Die Recherchen des Autors Peter Maass gehen jedoch weit über solche Katastrophenschilderungen hinaus. Der Europa und Asienkorrespondent der „Washington Post“ schreibt heute für das „New York Times Magazine“ und hat über vier Jahre in den wichtigsten Erdölförderländern recherchiert. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Welt des Erdöls, nach Saudi-Arabien und nach Texas, in den Regenwald Ecuadors, nach Äquatorialguinea und Russland, nach Bagdad und Caracas - und ins Niger-Delta, wo Shell seit über 40 Jahren in Nigeria Öl fördert und dort Mitverursacher und manchmal auch Opfer eines Bürgerkriegs ist.

 

 

 

Das Ende von „Big Oil“

 

Maass schildert die verheerenden Folgen für die Länder, die Öl besitzen, denn überraschenderweise sind die meisten ölreichen Länder überhaupt nicht reich. Ihr Öl beschert ihnen eher Probleme als Wohlstand: Umwelt- und Gesundheitsprobleme wie in Ecuador, wo sich Chevron der Verantwortung für eine ökologische Katastrophe entziehen will, oder gnadenlose Korruption wie in Äquatorialguinea. Die Liste der Machenschaften rund ums „Schwarze Gold“ ist lang und ließe sich beliebig fortsetzen.

 

Maass zeigt zum Beispiel, wie saudi-arabisches Öl fundamentalistische Moslems finanzierte und die Ölmilliarden Putins Aufstieg und Russlands Abkehr von der Demokratie einleiteten oder die Revolution von Chavez in Venezuela ermöglichte.

 

Das große Ölgeschäft „Big Oil“ ist aber längst nicht mehr so „groß“ wie es einmal war, wenn wir darunter die westlichen Konzerne verstehen, die in den 70er-Jahren  die meisten Weltreserven kontrolliert und besessen haben. Heute handelt es sich dabei noch um 15 Prozent, weil Erdöl in vielen Staaten nationalisiert wurde. Zudem machen Unternehmen aus Malaysia, Indien, aber vor allem aus China den Großkonzernen Konkurrenz. Schließlich beschäftigt sich der Journalist noch mit dem Peak Oil, dem umstrittenen Scheitelpunkt der Ölförderung, von dem abhängt, wie lange wir noch Zugriff auch diesen Rohstoff haben.

 

 

 

Erdöl als Machtfaktor

 

Noch ist das Erdöl ein Machtfaktor als Folge des Ölhungers der Welt. Das wird sich auch in Folge der größten Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bewahrheiten. Maass liefert dazu Belege am Beispiel der Havarie der Exxon Valdez im Jahr 1989. Ursprünglich sollten fünf Milliarden Dollar Schadenersatz an die Betroffenen gezahlt werden. Durch Berufungen und Revisionen wurden die Zahlungen bis 2008 ausgesetzt und dann auf die geradezu lächerliche Summe von ungefähr 500 Millionen Dollar festgesetzt.

 

Maass plädiert schließlich für den Ausbau der Technologien zur Förderung erneuerbarer Energien, für Transparenz im Hinblick auf die Verträge der Unternehmen und Regierungen hinsichtlich der Zahlungen und für die Durchsetzung der Antikorruptionsgesetze. Er hält es im übrigen für weitaus revolutionärer, Windräder zu errichten, als eine Statue (jene Sadam Husseins in Bagdad) niederzureißen.

 

A. A.

 

Maas, Peter: Öl, das blutige Geschäft. München: Doemer-Verl., 2010. 351 S., € 19,95 [D], 20,60 [A], sFr 33,90

 

ISBN 978-3-426-27529-0