Nach uns, ohne Öl

Ausgabe: 2010 | 4

Die Autoren August Raggam und Klaus Faißner haben in ihrem Buch „Zukunft ohne Öl - Lösungen für Verkehr, Wärme und Strom“ (2008) die verschiedensten Formen erneuerbarer Energie analysiert und aufgezeigt, dass mit dem Umstieg auf die richtigen Systeme unser gesamter Energiebedarf tatsächlich aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann. Im vorliegenden Band geht es nun darum, wie die Produktion der verschiedensten Waren, von Baustoffen, Nahrungsmitteln und Automobilen tatsächlich aussehen wird, wenn uns Öl nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht. Zwar sollten nach Wunsch des Herausgebers Michael Angrick die Verbände verschiedener Industriebereiche angesprochen werden, tatsächlich haben es aber nur einige Branchen, wie die Chemie-, die Biotechnologie-, die Automobil- und Lebensmittelindustrie geschafft, Beiträge zu liefern. Interessant ist in diesem Zusammenhang, so der Herausgeber, dass alle Branchen einen Wechsel der Energieversorgung nahezu ausblenden aber trotzdem eine Vorstellung davon vermitteln, was nachhaltige Produktion sein könnte.

 

Was nachhaltige Produktion eigentlich ist, beschreibt Karl Otto Henseling in seinem Beitrag und geht zunächst davon aus, das heute noch nicht von einer solchen gesprochen werden könne. Er versteht darunter eine Produktion, die dauerhaft mit erneuerbaren Ressourcen sozial- und umweltverträglich arbeitet „und dabei Bedürfnisse so befriedigt, dass alle Menschen so leben könnten, ohne die natürlichen Grundlagen überzustrapazieren“ (S. 65). Nachhaltigkeitsstrategien gehören auch aus Sicht der Zukunftsforschung „in der Wirtschaft, in den Unternehmen und in der Produktion zu den wichtigsten Grundlagen für nachhaltige Gesellschafts- und Lebensperspektiven“. (S. 69) Deshalb ist sich der Zukunftsforscher Rolf Kreibich sicher, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Nachhaltigen Entwicklung und der Ressourceneffizienz werden muss und wird.

 

Die einzelnen Branchen selbst sehen das Thema Nachhaltigkeit naturgemäß sehr einseitig. Jörg Rothermel betont etwa für die chemische Produktion, dass diese „in ihrer eigenen Produktion nachhaltig mit fossilen Ressourcen umgeht“ (S. 125), gleichzeitig fordert er politische Rahmenbedingungen, die Europa nicht einseitig als politischen Vorreiter im Klimaschutz forcieren, damit die Produktion nicht dorthin abwandert, wo sie am billigsten ist. Klaus Hieronymi fordert im Hinblick auf die IT-Branche ebenfalls globale Rahmenbedingungen und die schnelle Entwicklung umweltfreundlicher Produkte, damit sich Unternehmen nicht weiterhin „kostenneutral“ und damit „umweltunfreundlich“ verhalten (vgl. S. 192) müssen. Von der Stahlherstellung erwarten sich die Autoren diesbezüglich keine großen Sprünge. Nur durch umfangreiche Neuentwicklungen, verbunden mit hohem Forschungs- und Entwicklungsaufwand, unterstützt durch öffentliche Förderungen, könnten „ambitionierte“ Ziele zur Nachhaltigkeit in der Produktion erreicht werden. Weitere Überlegungen beziehen sich auf die Lebensmittelindustrie, die sich nur durch eine optimierte Technik erwartet, die Produktion umweltfreundlicher und effizienter gestalten zu können (vgl. S. 273) und die Automobilindustrie, die darauf verweist, dass mit Hochdruck an der Elektromobilität gearbeitet wird. Bedenkt man, dass es weltweit zirka 800 Millionen Kraftfahrzeuge gibt, die rund zehn Millionen Tonnen Öl pro Tag verbrauchen (das ist mehr als die Hälfte der täglichen weltweiten Ölproduktion), ist der Kraftfahrzeugverkehr mit Abstand der größte Erdölverbraucher der Welt und man könnte mehr innovative Ideen zur Abkehr vom fossilen Energieträger erwarten.

 

Alles in allem eine sehr ernüchternde Bestandsaufnahme nachhaltiger Produktion in den ausgewählten Branchen. Angesichts der in den nächsten Jahrzehnten zu erwartenden Rohstoffverknappung und der Notwendigkeit, verstärkt regenerative Energien zu nutzen, ist es wohl auch für die Industrie ein Gebot der Stunde, ein Ressourcen-Bewusstsein zu entwickeln. A. A.

 

Nach uns, ohne Öl: Auf dem Weg zu nachhaltiger Produktion. Hrsg. v. Michael Angrick. Marburg: Metropolis-Verl., 2010. 284 S., € 24,80 [D], 25,55 [A], sFr 42,20

 

ISBN 978-3-89518-770-4-2