The Yes Men fix the World

Ausgabe: 2010 | 2

Die Yes-Men sollte man, wenn einem an der ironischen Aufarbeitung der Globalisierung gelegen ist, kennen. Obwohl die beiden – mit bürgerlichem Namen heißen sie Mike Bonanno und Andy Bichlbaum – alles daran setzen, schwer erkannt zu werden. Camouflage ist ihre Methode und das schonungslose Aufdecken von Irrungen, Abwegen und Unmenschlichkeiten der Globalisierung und des freien – also ungeregelten – Marktes ihr selbstgesteckter Auftrag.

 

Mittels falscher Websites oder falscher Zeitungsmeldungen gelingt es ihnen, wichtige Themen und Fragen in echten Medien und der Öffentlichkeit aufzuwerfen: So bei ihrem legendären Einsatz in Salzburg im Jahr 2000, wo die Yes-Men als Vertreter der WTO agierten und bei einer Tagung über die Zulässigkeit von Gewalt im internationalen Bananenhandel referierten oder darüber, ob die Tradition der Siesta in Spanien oder die längeren Mittagspausen in Italien nicht mittels internationalen Handelsrechts abgeschafft werden sollten.

 

Das Ziel der Interventionen der Yes-Men: Sich in die Welt der Mächtigen einschleichen und mit bissig-ironischer Überzeichnung die wahre Hintergrundmotivation wirtschaftlichen Konzernhandelns im freien Welt-Markt zu demaskieren.

 

Im vorliegenden Film wird u. a.  ihr bislang größter Coups gezeigt, nämlich ein Live-Interview auf BBC-World vor 300 Millionen FernsehzuschauerInnen anläßlich der 20sten Wiederkehr einer der größten Umweltkatastrophen der Geschichte. In seinem Statement als Vertreter von Dow Chemical übernahm Yes-Man Bichlbaum im BBC-Interview die volle Verantwortung für die über 100.000 Todesopfer und kündigte Kompensation an, etwas, wogegen der Konzern sich 20 Jahre gewehrt hatte. Die Folge dieses Kurz-Interviews auf BBC waren einerseits weltweit positive mediale Reaktionen auf das Handeln Dow Chemical´s sowie die Forderung nach ähnlichen Schritten durch andere Konzerne und andererseits brach der Kurs von Dow Chemical innerhalb von 23 Minuten um 2 Millionen Dollar ein. Dieser Umstand zeigt wohl eindrücklich, dass Menschlichkeit keine Kategorie des freien Marktes, der Shareholder und der Börse ist. Dow Chemical dementierte und kehrt zur alten Haltung zurück.

 

Gegen Ende des Films präsentieren die Yes-Men auf einer Risk-Management-Tagung noch einen sündteuren, ebenso unpraktikablen wie offensichtlich unsinnigen „Überlebensanzug“, der mit allen Folgen des Klimawandels zurande käme und stoßen damit auf reges Interesse des illustren Kongress-Publikums, das sich mit dem Klimawandel bereits abgefunden hat.

 

 

 

„The Age of Stupid“

 

Die Ausgangslage für Franny Armstrongs Film  ist trist. In einer nicht allzu fernen Zukunft sitzt der Bibliothekar der Weltbibliothek, wohin alle Wissens- und Kunstschätze der Menschheit vor den Folgen des Klimawandels gerettet wurden, an einem Bildschirm und lässt die Jahre 2000 bis 2050 Revue passieren. Die Frage, die sich der Bibliothekar (gespielt von Oskar-Nominee Pete Postlewaite) stellt, klingt aus heutiger Sicht alarmierend: Warum haben wir die Welt nicht gerettet, als wir noch die Chance dazu hatten? Welche Geisteshaltung führte dazu, dass wir die Katastrophe sehenden Auges verdrängten? Dieser Frage und insbesondere unserer mangelnden Bereitschaft auf Erdöl zu verzichten, geht der Film mittels wissenschaftlichem Doku-Material und sechs Portraits von Menschen aus allen Teilen der Welt nach und beleuchtet unsere Gegenwart aus unterschiedlichen Blickwinkeln und unterschiedlichen Interessenlagen: Auf der einen Seite ein alter französischer Bergführer, der die Umweltveränderungen der letzten Dekaden in den Bergen Europas hautnah miterlebt hat oder ein britischer Windfarmer, der in Genehmigungsverfahren für seine Windparks derzeit oft auf Vorurteile der Bevölkerung oder Ablehnung aus ästhetischen  Gründen trifft, eine nigerianische Medizinstudentin, die berichtet, dass die nahe ihres Heimatorts gefangenen Fische aufgrund der Verschmutzung durch Erdöl vor dem Verzehr mit Waschmittel gewaschen werden müssen und irakische Flüchtlingskinder, die der Krieg ums Erdöl eltern- und heimatlos gemacht hat. Auf der anderen Seite konfrontiert uns der Film auch mit einem indischen Start-up-Unternehmer, dessen Traum es ist, eine Billigfluglinie in Indien aus der Taufe zu heben und der die Emissionen mit Verweis auf die - durch seine Fluglinie mögliche - Demokratisierung des Fliegens nicht so wichtig nimmt, oder mit einem Erdölingenieur aus New Orleans, der im Golf von Mexiko weiter nach Öl sucht, obwohl er die Auswirkungen des Klimawandels in Form des Hurricans Kathrina hautnah zu spüren bekam.

 

Anhand von wissenschaftlichem Doku-Material skizziert der Film unser Wissen über die Ursachen und Folgen des anthropogenen Klimawandels. Wir wissen zwar viel, handeln aber oftmals widersprüchlich, ja auch explizit gegen unser Wissen. Was jedoch passieren könnte, wenn wir Anzeichen des Klimawandels weiterhin nicht zum Anlass eines Umdenkens und „Umhandelns“ nehmen, wenn wir Warnungen also – im wahrsten Sinne des Wortes – weiterhin in den Wind (hier besser: Sturm) schreiben, darüber reflektiert „The Age of Stupid“ eindringlich.

 

Dass die insgesamt drei Jahre dauernden Dreh-arbeiten und auch die Kinopremiere klimaneutral über die Bühne gingen, ist in Anbetracht des Themas nicht weiter sensationell, brachte jedoch zusätzlich den Eintrag ins Guinness-Buch der Weltrekorde. Bemerkenswert ist auch die Art und Weise der Finanzierung dieses Filmprojektes: Mittels Crowd-Funding wurden die Geldmittel von über 1000 Personen aufgebracht. Viele Freiwillige trugen außerdem zu diesem Filmprojekt durch ehrenamtliche Unterstützung bei, wie auf der beigelegten Making-of DVD eindrucksvoll belegt wird. Damit ist der Film nicht nur ein wichtiger Meilenstein in der Diskussion um den Klimawandel, sondern auch ein Beweis für den Erfolg einer neuen kooperativ-gemeinschaftlichen Film- und Medienproduktion. T. H.     

 

The Yes Men fix the World.Regie: Andy Bichlbaum u. Mike Bonanno. USA 2010.

 

87 min., www.theyesmen.org

 

The Age of Stupid. Regie: Franny Armstrong. USA 2009. 90 min., www.ageofstupid.tao.de/