Lateinamerika ein Experiment mit ungewissem Ausgang

Ausgabe: 1994 | 3

Lateinamerika, durch die historischen Ereignisse in Osteuropa zu Beginn der 90er Jahre weltpolitisch weiter marginalisiert, bleibt nach wie vor ein "Experiment mit höchst ungewissem Ausgang", dessen geopolitische Brisanz nicht unterschätzt werden sollte. Die elf Beiträge des vorliegenden Bandes geben eine politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Bestandsaufnahme der Region und versuchen, Zukunftsperspektiven und mögliche Entwicklungen zu skizzieren.

Dieter Nohlen wendet sich der traditionellen politischen Instabilität der Region zu und geht der Frage nach, ob die Demokratie überleben kann. Nach Ansicht des Autors spricht trotz der enormen wirtschaftlichen und sozialen Probleme vieles für eine Konsolidierung der noch jungen Demokratien Lateinamerikas. lnstitutionelle Innovationen, wie etwa Reformen der Wahlgesetze, spielen hier ebenso eine Rolle wie die verstärkte internationale Ächtung diktatorialer Regime in der westlichen Hemisphäre. Doch Nohlen warnt: der Prozeß der demokratischen Stabilisierung in Lateinamerika hat gerade erst begonnen. Versagt die politische Klasse, dann steigt die Gefahr eines erneuten Wechsels in der Staatsform, wie sich am Beispiel Perus zeigt.

Klaus Eßer erörtert die Folgen des großen wirtschaftlichen Paradigmenwechsels in Lateinamerika. Nach nicht weniger als sechs Jahrzehnten der Importsubstitution auf dem Industriesektor durch inländische Produkte wenden sich die meisten Staaten des Subkontinents seit einigen Jahren nun dem Aufbau einer freien Marktwirtschaft nach dem neoliberalen Muster der USA zu. Doch dieses System alIeine stellt sicherlich noch keine Strategie dar, welche langfristig die Probleme der Region wird lösen können. Eine effiziente Armutsbekämpfung und Humankapitalbildung wird nicht nur durch die in einigen Ländern nach wie vor prekäre Schuldensituation erschwert; auch die Machtstrukturen und die politische Kultur erweisen sich häufig als Hemmnisse. Weitere Themenschwerpunkte des Buches sind die staatliche Gewalt in Lateinamerika, die Stellung der Frau in den betreffenden Gesellschaften sowie die Umweltaußenpolitik Brasiliens.

H. S.  

Lateinamerika am Ende des 20. Jahrhunderts. Hrsg. v. Detlef Junker ... München: Beck, 273S., 1994. (Beck'sche Reihe) DM 24,- / sFr 25,- / ÖS 187,-