Globale Unternehmen - globales Ethos

Ausgabe: 2001 | 4
Globale Unternehmen - globales Ethos

Globale Unternehmen globales EthosManchmal ist es ratsam, Bücher von hinten nach vorne zu lesen. So fassen die beiden Texte im Anhang „Erklärung zum Weltethos“ und die „Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten“ Prinzipien zusammen, die jeder vernünftige Mensch unterschreiben kann bzw. sollte - nicht nur jene hervorragenden Persönlichkeiten aus aller Welt, die dieses Dokument unterfertigt haben. Wenn man dann gutgläubig nicht nur dem Kampagnen-Initiator Hans Küng, sondern auch den (z.T. ehemaligen) Managern transnationaler Konzernen, Bankiers und Politikern in ihren Beteuerungen folgt, müsste der ethisch fundierte, ökonomisch abgesicherte Weltfriede bereits vor der Tür stehen.

Zwar hinterfragt Küng als Kritiker kirchlicher Dogmen auch jene der globalisierten, an Profitmaximierung interessierten Wirtschaft. Was fruchten jedoch schon seit Jahrzehnten (u.a. von Päpsten) wiederholte Appelle und Absichtserklärungen, die sich auf die „Goldene Regel“ („Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem andren zu!") als zentrales Dogma des „Projekts Weltethos“ stützen? Nicht erst die von den Großmächten nach den Terroranschlägen in den USA verkündete „Kriegsermächtigung“, sondern die sich längst weltweit ausbreitenden Wirtschaftskriege - im Kleinen wie im Großen - fordern tagtäglich zehntausende Opfer. Man kann es nun „Terror der Ökonomie“, die Eroberung von Märkten, feindliche Übernahmen, innerbetriebliches Mobbing usw. nennen. Genügen ein spektakulärer Terroranschlag - und einige Nachfolgetäter -, um weltweit die "zivil(isiert)en" Wirtschaftsstrukturen auf militärisch/ polizeistaatliche umzupolen? Konferenzen, wie diese von der FAZ dokumentierte, ähneln kirchlichen Zeremonien mit Predigten, Glaubensbekenntnissen, Missionsaufträgen, Bußakten und Vergebungsbitten. Doch wenn sich die (Kirchen)Tür hinter der illustren Gesellschaft geschlossen hat geht der säkularisierte Kampf weiter - auch gegen jene "Ungläubigen", die diesem Ablasshandel für die Profiteure der Globalisierung mit gewaltfreiem Wider-stand entgegentreten.


Können uns die führenden deutschen Teilnehmer wie Helmut Schmidt und Hans Tietmeyer erklären, warum sich in Deutschland die Schäden durch Wirtschaftskriminalität seit 1993 verdoppelt haben und nun nach Schätzung rund zehn Prozent des Bruttosozialproduktes betragen? Der Schwenk von der Ausbeutung von Rohstoffen und dem Export materieller Güter hin zum Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen (wie sie Rifkin in  seinem jüngsten Buch „Access“ [vgl. PZ 4/2000*362],  schildert) könnte auch den „Werteexport“ mit einschließen, das „ethische Güte-Siegel“, das in den zunehmend nicht nur materiell, sondern auch geistig ausgebeuteten Armutsregionen einen raffiniert verfeinerten Kolonialismus etabliert. Auch dies geschieht tagtäglich, während zum wiederholten Mal führende Persönlichkeiten aus den maßgeblichen Religionen ihr Plädoyer für die „Menschen guten Willens“ wiederholen. Allerdings ohne dabei den zugrundeliegenden Strukturen eines anscheinend unaufhaltsamen „Sustainable Global Powerplays“ wirksamen gewaltfreien Widerstand entgegenzusetzen - und nicht nur fromme (Für-)Bitten. M. Rei.

Bei Amazon kaufenGlobale Unternehmen - globales Ethos. Der globale Markt erfordert neue Standards und eine globale Raumordnung. Hrsg. v. Hans Küng. Frankfurt/ M.: FAZ, 2001. 195 S., € 30,58 / DM / sFr 59,80 / öS 437,-