Dominiert der Markt unsere Werte?

Ausgabe: 1996 | 4

Wenn auch hervorgegangen aus einem Symposium im Rahmen der Ludwigsburger Schloßfestspiele 1995, thematisiert der vorliegende Band nicht nur den Zusammenhang von Kunst und Markt (erhellt etwa durch einen Beitrag von Niklas Luhmann) sowie die sich verändernde öffentliche Kulturförderung, sondern er greift auch aktuelle politische und ökonomische Fragestellungen auf. So gibt der Politökonom EImar Altvater eine anschauliche Darstellung der Risiken der globalisierten Geld- und Marktgesellschaft, die er nicht nur in der Aufgabe von kultureller Vielfalt unter dem "Diktat der Konkurrenzfähigkeit", sondern insbesondere in der destabilisierenden Verschuldungsdynamik und der Abschiebung der Kosten auf die öffentliche Hand ("Sozialismus im real existierenden Kapitalismus") ausmacht. Noch zugespitzter formuliert der Evolutionstheoretiker Peter Kafka unser Dilemma, indem er ausgehend von der Aufgabe der Wirtschaft, unsere biologische Grundlage zu sichern, den Eintritt ins Reich der "eigentlichen Möglichkeiten" des Menschen einfordert und zudem Vorschläge zu einer verfassungsmäßigen Beschränkung der globalen Konkurrenz- und Beschleunigungskrise (z. B. Desubventionierung und in der Folge progressive Besteuerung aller als "schädlich erkannter Wirtschattsprozesse"). Seine "allgemeinen Grundsätze für eine globale Verfassung" beginnen mit der "Sicherung der Freiheit der seelisch-geistigen Entfaltung" und sehen eine radikale Dezentralisierung" der wirtschaftlichen und politischen Systeme vor. Ähnliches schwebt dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer vor, wenn er unsere Konsumgesellschaft, die ökologisches Verhalten verunmögliche, einer Illusionskritik" unterzieht (das Segment "Jugendmarkt" beleuchtet kritisch Klaus Farin). Gegenüber diesen nachdenklichen Stimmen äußerst gemäßigt liest sich dagegen Kurt Sontheimers Lob des freien Marktes als “Vermittlungsinstanz", auf der sich "die Beteiligten treffen, um eine bestimmte Problemlösung zu erzielen". Von aktueller Bedeutung hingegen ist die von ihm gestellte Frage nach der Rolle und den Aufgaben des Staates, ein Thema, das auch Konrad Schily, Direktor der "freien" Universität Witten/Herdecke, im Kontext von Bildung und staatlichen Institutionen aufgreift. Der Band macht deutlich, daß öffentliche Diskurse über Grundlagenfragen nie wichtiger waren als heute, daß dabei auch kontroverse Sichten zu Wort kommen, erhöht nur seine Attraktivität. H.H.

Markt und Sinn. Dominiert der Markt unsere Werte? Hrsg. v. Florian Müller. Frankfurt (u.a.): Campus, 1996.254 S.