Was die Welt nicht braucht

Ausgabe: 2001 | 2

„Die Welt“, so stellt, das junge Autorenduo – Anton arbeitet als Lektorin in Berlin, Kiecol lebt als freier Schriftsteller in Lissabon – fest, „die Welt könnte schöner sein. Das weiß jeder. Jeder kann auf Anhieb ein Dutzend Dinge nennen, die ihn stören, nerven, beleidigen oder anöden, und ohne die die Welt schlagartig eine bessere wäre. In diesem Buch“, so versprechen sie, „werden diese Dinge nicht nur beim Namen genannt, sondern auch auseinandergenommen, und zwar so, dass sie nur schwer wieder zusammenpassen.“ (S. 9)

Was hier angekündigt, und auf gekonnte Weise   bissig, humorvoll und bitter böse zugleich –betrieben wird, ist die Zertrümmerung jenes Universums an Unsinnigkeiten, mit denen sich eine zunehmend orientierungslose Konsumgesellschaft, getrieben von purer Langeweile und Gedankenlosigkeit, verführt von einer allmächtigen verführerischen Marktmaschinerie selbst umgibt oder verzweifelt Widerständige erbarmungslos in die Enge treibt.

Dem „Tippsengesöff“ ‚Kiba’, ein Kirsch-Bananensaft, „der schleimig-beige-rot im Glas herumschwappt“ gilt die vernichtende Aufmerksamkeit der Autoren ebenso wie dem in Zeiten der Allgegenwart der Reproduktion grassierenden Authentizitätswahn. „Tatsächlich“, so befinden die beiden, „ist uns ja gar nichts mehr wichtig, nichts Materielles jedenfalls. Weil es alles gibt, ist nichts mehr von Bedeutung. Bedeutung erlangen die Dinge erst durch etwas Größeres, Höheres“ – die vorgetäuschte Authentizität des Materiellen eben (S. 17).

Von „A“ bis „Z“, „Aroma“ bis „Zungenpriercing und andere Körperzerstörungen“ durchstreifen Anton und Kiecol, das weite Feld hinterfragenswerter Moden sowie privater und gesellschaftlicher Abwegigkeiten, wobei ihr Spott von durchaus ernsthaften intellektuellen Bemühungen („Autorenbuch“, „Design“ oder „Schadensersatzklagen um ihrer selbst willen“, über diverse geschlechtsspezifische Absonderlichkeiten („Frauen, die nichts essen“, „Männer in Flugzeugen“, Männer in Sitzungen“) über Sportliches (etwa Karaoke, Formel 1 oder trendiges Treiben zu allen Jahreszeiten) bis hin zu kulturellen und gesellschaftlichen Angeboten der Potmoderne (Weltmusik, Love Parade oder „Powerlunch“) reicht. Und weil sich über Geschmäcker, pardon Abneigungen auch geteilter Meinung sein lässt, finden sich im Anhang noch weitere Reizbegriffe, die die beiden Autoren zu jeweils persönlichen Abrechnungen nutzen.

Eine augenzwinkernde, über weite Strecken unterhaltsame Form der Konsumkritik, die ganz und gar ohne erhobenen Zeigefinger auskommt, und gerade deshalb ihre Wirkung nicht verfehlt. Im Lachen gewährt sie so manche Erkenntnis. W. Sp.

Anton, Annette C.; Kiecol, Daniel: Was die Welt nicht braucht. Von Chatten bis Waschbrettbauch. München: Piper, 2001. 268 S., DM 29,80 / sFr 27,40 / öS 218,-