Die Philosophie des Vegetarismus

Ausgabe: 1988 | 4

Eigentlich sollte es für jeden zivilisierten Menschen selbstverständlich sein, anderen empfindenden Lebewesen nicht Leid zuzufügen oder gar das Leben zu nehmen. Der Autor versucht die Überzeugung, daß es falsch sei Fleisch zu essen, argumentativ und rational zu begründen. Die im englischsprachigen Raum seit den 70er Jahren teils lebhaft geführte Vegetarismus-Diskussion und deren Ergebnisse sind Thema der vorliegenden Studie. Peter Singer ist gegenwärtig in diesem Zusammenhang der prominenteste Autor; er nimmt eine klare, kompromißlose Position für den Vegetarisrismus ein.

Er plädiert, gestützt auf den universalen Aspekt der Ethik, für eine utilitaristische Grundposition. Das von ihm entwickelte Gleichheitsprinzip, "dessen Grundvoraussetzung die Leidensfähigkeit ist, fordert, daß wir den ähnlichen Interessen all derer, die von unseren Handlungen betroffen werden, gleiches moralisches Gewicht verleihen". Der Vegetarismus ist für Singer der Boykott gegen die Verletzung dieses Prinzips, weil bei "der Produktion· von tierischem Fleisch für die menschliche Ernährung (...) größere tierische Interessen kleineren menschlichen Interessen geopfert" werden.

Nach einem Exkurs In den Gegenstandsbereich der Ethik unternimmt Kaplan eine kritische Würdigung der Philosophie Singers. Aus dieser Analyse geht hervor, daß Singer keine überzeugende philosophische Grundlegung des Vegetarismus liefert. Um das zu bewerkstelligen, unternimmt der Autor den Versuch, dessen Ideen weiterzuentwickeln. Ihm geht es vor allem um die Präzisierung und Neuformulierung des Gleichheitsprinzips. Dabei wird offensichtlich, "daß die Summe der tangierten Interessen des Tieres um ein Vielfaches größer ist als die Summe der tangierten Interessen des Menschen". Die Verletzung des Gleichheitsprinzips (durch Fleischessen) ist dann gegeben, wenn größere Interessen von Lebewesen in den moralischen Überlegungen und unseren Handlungen eine kleinere Rolle spielen.

Diskussionswürdig wäre die von Singer erhobene Forderung, moralische Urteile zu universalisieren bzw. zu objektivieren. Vielfältig wird die Vegetarismus-Debatte auch, wenn man die verschiedensten Spielarten des vegetarischen Gedankens reflektiert.

Kaplan, Helmut F.: Philosophie des Vegetarismus. Kritische Würdigung und Weiterführung von Peter Singers Ansatz. Frankfurt/Main (u.a.): Lang, 1988. 107 S. DM 29,35/sfr 24,90/öS 229,-