Demokratie einfach machen

Online Special

Es ändert sich nichts, außer wir tun etwas, so lautet das Kredo von Gregor Hackmack, dem Mitbegründer und Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de. Mehr direkte Demokratie ist für ihn das einzige überzeugende Mittel gegen Intransparenz, Entfremdung und Oligarchie. Nur so könne sich auch die Stimme des Volkes im Parlament Gehör verschaffen. Hackmack initiierte in den letzten zehn Jahren mit vielen MitstreiterInnen durchaus erfolgreich Volksentscheide und Verfassungsänderungen in Hamburg und er weiß daher, wie sich Bürgerinnen und Bürger konstruktiv einmischen und engagieren können.

Ausgangspunkt seines Engagements ist die Tatsache, dass viele politische Entscheidungen nicht mehr dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entsprechen. Beispiele gefällig: Nach tagelangen Protesten von über zwei Millionen Menschen in London gegen Krieg im stimmte das Parlament mit deutlicher Mehrheit für den Einsatz britischer Soldaten. In Deutschland waren 2011 laut einer repräsentativen Umfrage 78 Prozent der BürgerInnen gegen den Einsatz von Steuergeld, um Banken zu retten. Trotzdem geschah dies aufgrund eines soliden parlamentarischen Mehrheitsbeschlusses und mit vielen Steuermilliarden (vgl. S. 10).

Politik-Update

Der Autor konstatiert, wie zahlreiche Kritiker (s. o.) mit ihm, dass immer dann, wenn große wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, den Parlamentariern der Wählerwille egal ist. Hinzu kämen Intransparenz bei der Entscheidungsfindung (auch durch Lobbyismus, was geradezu zwingend die Entfremdung von Politik und dem Wähler zur Folge habe.

Als Sofortmaßnahmen gegen diese Missstände schlägt Hackmack folgende Punkte vor: ein Verbot von Unternehmensspenden, ein Verbot von Nebeneinkünften, die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung und schließlich eine Wartezeit (Abkühlzeit) von drei Jahren nach dem Ausscheiden aus der Regierung; erst danach sollten Abgeordnete eine Tätigkeit in der Wirtschaft annehmen dürfen. Unabdingbar sei Transparenz, „denn nur wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, können politische Entscheidungen nachvollzogen werden“ (S. 45). Das „Update für unsere Politik“ bezieht sich aber in erster Linie auf Mitmach-Instrumente wie Volksentscheide (Volksinitiativen, Volksbegehren), denn nur das würde „Abgeordneten dazu zwingen, sich stärker am Mehrheitswillen zu orientieren“ (S. 46). Der Autor beklagt hier wohl zu Recht, dass die Hürden für einen Volksentscheid auf Landesebene noch immer zu hoch sind. Anhand zahlreicher Beispiele berichtet er aber auch über erfolgreiche Initiativen. So gelang es der Hamburger Initiative gegen eine überwältigende Mehrheit aus SPD, CDU und FDP im Senat, den Rückkauf der Energienetze für ihre Stadt zu erwirken, obwohl die Energiekonzerne nach Schätzungen einhundert Mal mehr Mittel einsetzten als das Bürger-Bündnis. An zahlreichen anderen Beispielen wird gezeigt, dass sich Engagement lohnt (Bremen hat per Volksinitiative ein neues Wahlrecht nach Hamburger Vorbild auf den Weg gebracht, Hessen und Baden-Württemberg stehen vor einer Reform der direkten Demokratie). Tipps zu „Demokratie einfach machen“ beziehen sich sowohl auf die kleinen Anfänge als auch auf größere Initiativen. Dafür steht eine Fülle von „Demokratie-Instrumenten“ zur Verfügung. Diese reichen vom „Starten einer Petition“ bis hin zu einem Bürgerbegehren oder der Organisation einer Demonstration. (S. 114) Erörtert werden auch „Hürden einer Amtseintragung“, „Wie kandidiere ich für Wahlen“ oder schlicht und einfach „Wie organisiere ich eine Demo“. Nicht zu vergessen der Anteil des Internet und der sozialen Medien an einer neuen politischen Kultur. Forscher haben den Einfluss des Internets auf unser Handeln im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements untersucht und herausgefunden, dass es eine zentrale Rolle bei der Informationsbeschaffung sowie in der Diskussionskultur spielt und zudem Volksentscheide wesentlich erleichtert. Praktische Hinweise wie Verfahrensregeln für Bürgerbegehren und Volksentscheide im Anhang ergänzen diesen Band. Wo die einzelnen Länder stehen, zeigt eine Liste über den aktuellen Stand des Politik-Updates. Abschließend bleibt festzuhalten, dass zwar in Sachen „Mitmach-Demokratie“ schon einiges erreicht wurde, dass aber noch viel Platz nach oben ist. Für jeden gehe es schließlich darum, „umzudenken und Transparenz und Beteiligung auch selbst zu leben“ (S. 111). Alfred Auer


Hackmack: Demokratie einfach machen. Ein Update für unsere Politik. Hamburg: ed. Körber-Stiftung, 2014. 156 S., € 14,- [D], [A], sFr

ISBN 978-3-89684-158-2

 

ZITAT

„Es geht also für jeden von uns darum, umzudenken und Transparenz und Beteiligung auch selbst zu leben. Je transparenter und demokratischer weite Teile der Gesellschaft werden, desto mehr wirkt die jetzige starre Parteiendemokratie wie aus der Zeit gefallen und desto leichter wird es, die mehrheitlichen Interessen der Bevölkerung umzusetzen.“ (S. 111f.)