Daten sind der wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Doch wie beim Öl entsteht der tatsächliche Wert erst bei der Verarbeitung des Rohstoffs. Durch Verknüpfung und Analyse werden neue Daten generiert, aus denen wiederum neue Profile erstellt werden können. Andreas Weigend, Experte für Mobile Technologien, Big Data und Kundenverhalten, geht davon aus, „dass der reale, greifbare Mehrwert, den wir aus der Mitteilung von Daten über uns ziehen, die Risiken überwiegt. Daten eröffnen Chancen für Entdeckungen und Optimierung. Worauf es ankommt ist, dass wir Wege finden, um zu gewährleisten, dass die Interessen derjenigen, die unsere Daten nutzen, mit unseren eigenen Interessen im Einklang stehen“ (S. 12). Das geht aber nur, wenn wir verstehen, wie unsere Daten analysiert und genutzt werden. Wichtig dabei wäre, dass die Datenfirmen uns gegenüber so transparent sind wie wir ihnen gegenüber und dass wir ein Mitbestimmungsrecht erhalten, wie unsere Daten verwendet werden.
Im ersten Kapitel zeigt Weigend, wie Firmen Daten analysieren. Er verwendet dazu die Metapher des „Raffinationsprozesses“, mit dessen Hilfe Unternehmen Rohdaten in Produkte und Dienstleistungen umwandeln (vgl. S. 27). In Kapitel zwei geht es um den einzelnen Menschen, um Suchhistorien, Klicks, Aufrufe und die Illusion des Datenschutzes. Wie die Verbindung zwischen den Menschen und den sozialen Netzwerken im digitalen Zeitalter Vertrauen offenbaren und umformen, ist Thema in Kapitel drei. Kapitel vier befasst sich damit, wie wir durch Sensoren und Kameras ausspioniert werden und so Rückschlüsse auf unseren Standort, unsere Gemütsverfassung und unser Aufmerksamkeitsniveau ermöglichen.
Transparenz und selbstbestimmte Handlungsfähigkeit
Weigend, der als Ex-Forschungsleiter die Datenstrategie von Amazon mitentwickelt hat, legt schließlich ein präzises Konzept für den Umgang mit unseren Daten vor, das auf zwei Prinzipien beruht: Transparenz und selbstbestimmte Handlungsfähigkeit. Insgesamt hat der Gründer und Direktor des Social Data Lab sechs Grundrechte definiert, die dringend durchgesetzt werden müssten, damit das Teilen von Daten dem Einzelnen zugute-kommt. Dies alles wird, ist er überzeugt, Auswirkungen darauf haben, wie wir in Zukunft einkaufen, bezahlen, investieren, arbeiten, leben und lernen werden. Sehr wichtig ist ihm ein „Inspektionsrecht für Datenraffinerien“, nämlich Einblicke in die Datenrendite, das Verhältnis des Nutzens für die Plattform zum Nutzen für die Anwender und die Effizienz des Privatsphärenschutzes. Weiters nennt der Autor das Recht auf Datenzugang, auf Datenergänzung, auf Datenanonymisierung in individuellem Umfang, auf Datenmitnahme sowie das Recht, mit unterschiedlichen Einstellungen der für die Verarbeitung genutzten Algorithmen experimentieren zu können. Der Daten-Experte hat zweifellos einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, wie wir das Leben in einer digitalen Welt künftig gestalten können. So plausibel die geforderten Rechte auch sind, ob sie je erfüllbar sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Alfred Auer
Weigend, Andreas: Data for the People. Wie wir die Macht über unsere Daten zurückerobern. Hamburg: Murmann, 2017. 351 S., € 26,90 [D], 27,60 [A] ISBN 978-3-86774-568-0