Dass es noch viel in Sachen Effizienz zu tun gibt, macht der oben besprochene Band von Gege/Heib deutlich. Und doch wird Effizienzdenken alleine nicht reichen – wir brauchen auch eine kulturelle Wende, wie der Schweizer Historiker und Umweltjournalist Marcel Hänggi zeigt. „Ausgepowert. Das Ende des Ölzeitalters als Chance“ nennt er seine Kulturgeschichte der Energieversorgung bzw. Energieverschwendung. Unterteilt in die Kapitel „Kohle“, „Entwicklung“, „Nahrung“, „Raum und Zeit“, „Größe“, „Verschleiß“, „Potenziale“, „Angebot und Nachfrage“, „Lösungen“ sowie „Freiheit“ stellt sich der Autor Forschungen zur sozialen und kulturellen Bedeutung von „Energieverfügbarkeit“, Befunden zu „Energiegerechtigkeit“ und „Energiepotenzialen“ sowie schließlich der Frage, wie viel Energie wir für ein „gutes Leben“ benötigen. Hänggi beschreibt die Erfolge und Errungenschaften, die durch die Verfügbarkeit von Energie möglich wurden. Doch seine zentrale These lautet, „dass zu viel Energie einer Gesellschaft eher zum Schlechten denn zum Guten gereicht“ (S. 15). Darin sieht der Autor auch die Chance, etwa auf eine 2000 Watt-Gesellschaft zu kommen, zu der sich die Stadt Zürich 2008 per Gemeindeordnung verpflichtet hatte (ohne freilich – wie Hänggi anmerkt – ein Datum zu nennen; derzeit beträgt der Züricher Energieverbrauch pro Kopf etwa 5000 Watt; S. 62).
An vielen Beispielen wird im Buch gezeigt, wie Energieverfügbarkeit und technischer Fortschritt zusammenhängen und dass dies immer auch zu kulturellen Veränderungen führt. So wäre etwa bei einer Richtungsentscheidung für Elektromobilität bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine völlig andere Mobilitätskultur entstanden als jene, die der Verbrennungsmotor mit seinen auf Geschwindigkeit und Größe angelegten Imperativen hervorgebracht hat. Die Schwierigkeit, heute ein Elektroauto zu bauen, sei daher „sozialer und nicht technischer Natur“ (S. 65), da alte kulturelle Muster überwunden werden müssen. Eine wesentliche Rolle sieht Hänggi auch im Preis der verfügbaren Energie: „Ein Liter Benzin enthält so viel Energie, wie ein körperlich arbeitender Mensch in hundert Arbeitsstunden leistet“, rechnet der Autor vor und vergleicht daher den „Preis eines Liters Benzin mit hundert Stundenlöhnen“ (S. 243). Leben und Wirtschaften im postfossilen Zeitalter werde also bedeutend mehr erfordern, als den einen Energieträger durch einen anderen zu ersetzen, ist der Autor überzeugt: „Wenn wir nur über alternative Formen der Energiebereitstellung diskutieren; wenn wir nur über Potenziale, CO2-Bilanzen, Vor- und Nachteile von Sonne, Wind, Atom und so weiter sprechen, dann verpassen wir es, über alternative Wege zu sprechen, die eine Gesellschaft gehen kann.“ (S. 65) Und in Zukunft gehen muss, wäre zu ergänzen. Wenn in den USA für eine Ernährungskalorie derzeit sieben Energiekalorien aufgewendet werden, so ein weiteres Beispiel aus dem faktenreichen Buch (S. 76), dann zeigt dies, dass die gegenwärtige, westliche Ernährungskultur keine Zukunft hat. Hänggi beschreibt, wie abhängig wir von der billigen Verfügbarkeit von Energie geworden sind, und er macht Mut, uns ein anderes Leben – mit bedeutend weniger Energieverbrauch – vorzustellen. H. H.
Hänggi, Marcel: Ausgepowert. Das Ende des Erdölzeitalters als Chance. Zürich: Rotpunkt-Verl., 2011. 364 S. € 28,- [D], 28,80 [A], sFr 36,-
ISBN 978-3-85869-446-1