Akteure der Stadtteilentwicklung

Ausgabe: 2010 | 2

Die Beteiligung von BürgerInnen auf lokaler Ebene ist ein wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklung, wie bereits im letzten Abschnitt ausgeführt wurde. Die staatlichen Akteure versprechen sich davon nicht zuletzt eine bedarfsgerechtere Planung. Die Gründe dafür sind der verstärkte Bedarf an Legitimation und Akzeptanz der Entscheidungen sowie ein verändertes Selbstverständnis ordnungsrechtlichen Handelns. Oft aber ist bei den Aktivisten damit Enttäuschung und Überdruss verbunden. Die positiven Erfahrungen sind meist seltener als Erinnerungen an Ineffizienz oder Wirkungslosigkeit. Was aber verstehen heute die Akteure selbst unter Beteiligung an Stadtteilentwicklung? Verbinden Beamte, Politiker und Bürger damit unterschiedliche Inhalte, Ziele, Werte, Strukturen und Rollen bzw. wo gibt es Gemeinsamkeiten und welcher Zusammenhang besteht zwischen Theorie und Praxis?

 

Die vorliegende überarbeitete Dissertation von Carolin Schröder, Stadtplanerin am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin, reflektiert diese Fragen in ihrer Untersuchung zu Akteursperspektiven bei Beteiligungsprozessen in drei Berliner Problemquartieren. Die Autorin gibt gleichwohl zu Bedenken, dass die Ergebnisse der Interviews und der Fallstudien nicht verallgemeinerbare Ausschnitte aus dem Beteiligungsalltag in den untersuchten Quartieren beschreiben. „Es handelt sich weder um einen repräsentativen Querschnitt von Akteuren, noch war es möglich, mit diesem explorativen Untersuchungsansatz alle Beteilungsansätze sowie das Akteurshandeln in den Quartieren auch nur annähernd vollständig zu beschreiben.“(S. 167)

 

 

 

Motive für Beteiligung

 

Angenommen wurde, dass in Beteiligungsprozesse eingebundene Akteure aus Politik und Verwaltung, Anwohner und intermediäre Organisationen die Ziele, Strukturen, Rollen und Handlungsmöglichkeiten sowie die jeweiligen Rahmenbedingungen von Beteiligung und Stadtteil- entwicklung unterschiedlich einschätzen und entsprechend handeln. Begründet wird dies mit jeweils individuellen Motivationen, Interessen und Erwartungen. Übereinstimmend wurde in den Interviews ein Handlungsbedarf in den Quartieren konstatiert und Beteiligung als effektives, zeitlich begrenztes, ergebnisorientiertes Handeln beschrieben, das gemeinsames Arbeiten ermöglichen und angemessene Veränderungen hervorbringen soll. (vgl. S. 163) Eine der wichtigsten Motivationen zur Teilnahme bzw. Durchführung von Beteiligung lag darin, aktiv an der Gestaltung der Quartiere mitzuwirken und dabei konkrete Verbesserungen im Wohnumfeld zu erreichen. Für Verwaltung und Politik sowie Quartiermanager wurden Vorzüge von Beteilungsprozessen umfassender, nämlich im Hinblick auf Infrastruktur, Sozialstruktur und Quartiersimage gesehen. Für einige galt darüber hinaus die quartiersbezogene Gemeinwohlorientierung bzw. die Vernetzung auf lokaler Ebene als Grund für Beteiligung. Der in der Diskussion hergestellte Konnex zwischen Beteiligung und lokaler Demokratie einerseits und bürgerschaftlichem Engagement und Lebensqualität in den Quartieren andererseits wurde in der Praxis gruppenübergreifend kritisch eingeschätzt, „da Bezüge zu eigenem bzw. gemeinsamem Handeln in Beteiligungsprozessen kaum gesehen wurden“ (S. 166). Weiters wurde der „Lernende Akteur“ in der Praxis nicht so stark bewertet wie in der Theorie und wenn überhaupt, nur von beteiligungserfahrenen Akteuren positiv akzentuiert. Durch die kontinuierliche Anwendung von Beteiligung wurde aber deutlich, dass sich Formen der Zusammenarbeit in der Praxis verändern können, indem sich z. B. gegenseitiges Vertrauen verstärkt.

 

Aus den Ergebnissen der Arbeit leitet die Autorin einige Empfehlungen ab. Zunächst gelte es, eine stärkere Anbindung an individuelle Interessen, Motivationen und Erwartungen der Akteure zu erreichen. Darüber hinaus müssten vorab Rechte und Pflichten der Akteure geklärt und die Dauer des Beteiligungsprozesses beschränkt werden. Weiteren Forschungsbedarf ortet Schröder im Kontext von Beteiligung an der Stadtteilentwicklung und Beteiligungsverfahren zu bürgerschaftlichem Engagement, sozialem Kapital, Gemeinwohl, Lebensqualität, Demokratie und Beteiligung und den daraus abgeleiteten Rollenzuweisungen (vgl. S. 170).

 

Insgesamt wird Akteurshandeln im Rahmen von Stadtteilentwicklung künftig stärker auf gemeinsame Bezugspunkte (Begriffe, Ziele und Inhalte) sowie Synergieeffekte angewiesen sein, um handlungsfähig zu bleiben. Zentral aber bleibt die Möglichkeit persönlichen Engagements auf lokaler Ebene. Dabei kann es sich auch um Kleinstinterventionen (Bsp. Bepflanzungen), um Infrastrukturen (Wohnen, Freizeit, Soziales), Image und Lebensqualität bis hin zum Engagement für verbesserte Verwaltungsabläufehandeln. Geschrieben für ein Experten, bietet die Studie zugleich nützliche Hilfestellung, Erkenntnisgewinn und nicht zuletzt Motivation für eigenes Engagement. A. A.

 

 Schröder, Carolin: Akteure der Stadtteilentwicklung. Wie Verwaltung, Politik und Bürgerschaft Beteiligung definieren. München: oekom-Verl., 2010. 208 S., € 29,90 [D], 30,80 [A], sFr 50,80

 

ISBN 978-3-86581-139-4