Zurück zur Mobilität!

Ausgabe: 2013 | 3

Im Zeitalter beschleunigter Mobilität und Prognosen, die weiteres Mobilitätswachstum voraussagen, verwundert die Forderung nach einem „Zurück zur Mobilität“ lediglich auf den ersten Blick. Unübersehbar sind die durch den Verkehr verursachten Lärm- und Abgasbelastungen, die Zersiedelungsproblematik und deren Auswirkungen auf die Sozialsysteme und die Umwelt. Bekannt als präziser Formulierer all der Schwierigkeiten, die mit wachsendem Verkehr zusammenhängen, ist Hermann Knoflacher auch diesmal angetreten, um einem Paradigmenwechsel das Wort zu reden. „Jenseits (der) Sackgasse jedoch, in die die Mobilität geraten ist, gibt es heute nicht nur einen praktisch erprobten, sondern auch schon einen theoretisch gangbaren Weg ‚zurück zur Mobilität‘, der Natur, Mensch und Wirtschaft nicht mit noch mehr Kohle, Erdöl, Kern- und auch Solarenergie zerstört, sondern der die gewaltigen Ressourcen geistiger Energien aus ihrer Umklammerung befreien kann.“ (S. 7). Was ist damit gemeint?

Der Verkehrsexperte nähert sich dem Thema zunächst mit anschaulichen Bildern, die belegen, dass „Mängel der geistigen Mobilität - das Nichtdurchschauen des Systems“ durch physische Mobilität kompensiert werden (S. 9). In der Pflanzenwelt mit seiner unglaublichen Artenvielfalt sieht er einen Beleg dafür, dass Systemintelligenz das Ergebnis fehlender physischer Mobilität sein könnte. Es ist offensichtlich, dass die geistige Mobilität der Bewegung nicht mehr folgen und auch das Beschleunigen das Begreifen nicht erleichtern kann, so Knoflacher. Es ist für ihn deshalb sonnenklar, dass alle Strukturen des technischen Verkehrssystems in den Köpfen der Menschen entstanden sind und eben dort auch die Ursachen für die Probleme der heutigen Mobilität, aber auch deren Lösungen zu finden sein müssten (vgl. S. 12f.). Letztendlich geht es um einen Ausweg aus der Sackgasse heutiger Zwangsmobilität, ein „Weg aus der technischen Falle zurück zur Beherrschung der Technik“: „Der Weg von den vier Rädern zurück zum aufrechten Gang - ein Sprung vorwärts über mehr als sechs Millionen Jahre.“ (S. 103)

 

Autoverzicht

Konkreter wird’s dann aber auch noch mit dem Vorschlag, das Auto müsse sich dem freien Wettbewerb stellen und dürfe nicht mehr Zuwendungen als die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer bekommen. Dem Auto müssten wie jedem anderen Verkehrsmittel auch seine „direkten und indirekten Kosten angerechnet werden“ (S. 104). Zurück zur Mobilität komme man nur durch autofreie Siedlungen, Dörfer und Städte. Notwendig sei die Rückeroberung des öffentlichen Raumes, indem die Menschen für das soziale Miteinander Verantwortung tragen. Und natürlich gilt in dieser neuen Struktur, dass sich die Dienstleister (sprich die Super- und Fachmärkte in den Asphaltwüsten) wieder den Kunden anpassen. Eine Vielzahl von Einzelhändlern und regionale Lebensmittel werden dann relativ ortsnah die Versorgung übernehmen.

Wahrscheinlich sind die hier vorgetragenen bitterbösen Anklagen, dass die Autos in den Köpfen der Menschen die „geistige Mobilität“ verhindern, dem Frust und der Ohnmacht des Autors geschuldet, dass in den letzten 50 Jahren die Hoffnungen auf eine Lösung der Verkehrsprobleme restlos enttäuscht wurden. Problematisch ist aber doch, alles auf die Dummheit der Menschen zu schieben, denn das verhindert womöglich einen Lernprozess hin zu intelligentem Verhalten. A. A.

 

 Knoflacher, Hermann: Zurück zur Mobilität! Anstöße zum Umdenken. Wien: Ueberreuter, 2013. 111 S., € 9,70 [D], 9,95 [A], sFr 13,60

ISBN 978-3-8000-7557-7