Rupert Neudeck, zusammen mit Heinrich Böll Gründer des Deutschen Komitees" Ein Schiff für Vietnam" und Initiator der "Cap Anamur" (dieses Schiff rettete zwischen 1979 und 1982 insgesamt 9507 Menschen vor dem Ertrinken), bringt hier Themen zur Sprache, die betroffen machen. Für den Autor sind Trägheit, Nachlässigkeit und die Rücksicht auf Parteiinteressen Grund für äußerste Verbitterung, weil dadurch die wirklichen Zukunftsfragen der Menschheit vertan und verschenkt würden. In einzelnen Reportagen werden die Instanzen des Versagens offengelegt: Regierungen, aber auch Kirche und Gewerkschaften ebenso wie oberflächlicher Humanismus, Journalismus oder Menschenrechte. Das Versagen der Deutschen angesichts der Jagdszenen in Hoyerswerda ist für Neudeck sogar Anlass, seinen "Rückzug aus diesem Land" -wie einst Heinrich Böll vorzubereiten. Der Autor kritisiert die deutsche Entwicklungshilfe aufs schärfste und teilt mit Franz Alt die Auffassung, dass diese sofort zu beenden sei, damit es den Menschen in der Dritten Welt wieder bessergehen kann. Oft ist von Heuchelei die Rede, etwa in der deutschen Politik, die mit einer streng geheimen "Ausstattungshilfe " - mit einer Dotation von 196,38 Mio DM für drei Jahre- Länder (z.B. Zaire und Somalia) unterstützt, von denen die meisten als Folterstaaten bekannt sind. Von Halbherzigkeiten ist auch im Umweltschutz zu sprechen, wenn diejenigen bestraft werden, die im Sinne moderner Erkenntnisse handeln und Flaschenmilch kaufen, dafür aber erheblich mehr bezahlen als für die umweltverschmutzende Tüte, oder bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel statt möglicher 25 Minuten über zwei Stunden für eine Fahrt benötigen. Am Schluss erzählt der Autor über Eritrea eine der wenigen Erfolgsgeschichten Afrikas und über Vietnam, das keinerlei Lob für die regierende Nomenklatura verdient, "weil sein fleißiges, erfindungsreiches und tapferes Volk schon längst viel weiter sein könnte". Für Deutschland und Europa werden folgende Zukunftsaufgaben proklamiert: Aufbau von freundschaftlichen Verhältnissen zu Osteuropa und der GUS, Wiederaufbau von Pontonbrücken zu den Muslims und wesentlich mehr Engagement in Afrika. Ein ungemein aufwühlendes Buch, dass in der Fülle trockener Informationsvermittlung tief berührt und nachdenklich stimmt. A A Gesellschaftskritik
Neudeck, Rupert: Das Versagen des Humanismus. Unkonventionelle Hilfsmaßnahmen für die Dritte Welt. Weinheim (u.a.): Beltz, 1992. 247 S. (Be/tz Quadriga) DM 29,80 I sFr 25,30 I öS 232,40