Burghard Flieger hat Erfahrungen aus mehr als 15 Jahren vielfältiger wissenschaftlicher und praktischer Beschäftigung mit Produktivgenossenschaften in einem Werk gebündelt, das künftig sicher als Standardwerk zu betrachten sein wird. In Anlehnung an eine bekannte Werbung könnte dieses Buch von sich behaupten: "Ich bin drei Bücher!" Als Theorie der Produktivgenossenschaft verfehlt die Genossenschaftslehre ihren Gegenstand, indem sie von einem Idealtypus ausgeht. Stattdessen weist Flieger unterschiedliche Erscheinungsformen aus, die sich durch spezifische Abweichungen von diesem Idealtypus auszeichnen. Er kann so neben der klassischen Form auch Selbstverwaltete Betriebe und Beteiligungsunternehmen in seinem Ansatz integrieren. Die kundige und umfassende Auseinandersetzung u. a. mit dem Oppenheimerschen Transformationsgesetz zeigt, daß keineswegs ein Nachweis des zwangsläufigen Scheiterns solcher Unternehmen geführt werden kann, und Aussagen bezüglich innerbetrieblicher Entwicklungsverläufe oder gar Interventions- und Handlungsmöglichkeiten in der Genossenschaftslehre begrenzt bleiben. Als Fallstudie wird anhand der Entwicklung des Softwarehauses PSI (650 Mitarbeiter) detailliert aufgezeigt, wie sich die produktivgenossenschaftlichen Merkmale in der betrieblichen Praxis eines Mitarbeiterunternehmens auswirken und entwickeln. Zentrales Ergebnis ist, daß "Wertedissens" und "Generationsproblematik " die entscheidenden Faktoren darstellen. Hier wirken "Dilemma-Strukturen", die sich in Zeiten harten Veränderungsdrucks zu einer "antigenossenschaftlichen Wirkungsspirale" verdichten können. Versuche, wirtschaftlichen Mißerfolg durch verschärfte hierarchische Steuerung zu kompensieren, führen dann zur Erosion der sozialen Integration und der Gefährdung der ursprünglich gesetzten Verfassung. Die inzwischen 20jährige Geschichte von PSI zeigt, daß diese Spirale jedoch auch durchbrochen werden kann. Als Handlungshilfe für Produktivgenossenschaften knüpft Flieger an die Frage an, wie die "negative Wirkungsspirale" durch ein kooperatives Management umzudrehen wäre. Nach Meinung des Autors sollten in erster Linie neue Werthaltungen den Ausgangspunkt bilden, weshalb er ein partizipatives Managementmodell entwickelt, das auf der Grundlage von Corporate Identity, dem Konzept der lernenden Organisation und der kollektiven Selbstqualifikation eine "fortschrittsfähige Stabilisierung" der Produktivgenossenschaft ermöglicht. T. H.
Flieger, Burghard: Produktivgenossenschaft als fortschrittsfähige Organisation. Theorie, Fallstudie, Handlungshilfen. Marburg: Metropolis-Verl., 1996. 528 S.