Ökodörfer, Energie-Werkstätten und Denkfabriken

Ausgabe: 1998 | 2

Es gibt sie also doch, oder besser noch immer bzw. immer öfter: Ökodörfer, alternative Betriebsgemeinschaften, Energieinitiativen und kommunitäre Siedlungen. Bei aller Verschiedenheit von Ansatz und Konzeption - gemeinsam ist ihnen die Idee vom Ausstieg aus dem "Wettlauf der Besessenen". Die "Menschen in diesen Projekten verstehen sich als Bewohner von Zukunftswerkstätten" im weitesten Sinne. Sie sind geleitet vom Wunsch nach einem Leben im Einklang mit der Natur und nachhaltiger Lebensstile im Sinne von "gut leben, statt viel haben".

Abseits ausgetretener Pfade der Analyse und Kritik macht sich der Journalist Ulrich Grober auf die verdienstvolle Suche nach den Pflänzchen der ökologischen, sozialen und ökonomischen Gegenkultur. Entgegen den Parolen der Trendsetter („survival of the fittest") findet der Autor zukunftsfähige Strukturen und gelebte Alternativen am Ende des Millenniums. Die Reise führt den Autor zunächst in die Obstbausiedlung Eden außerhalb Berlins (gegründet bereits 1893). Als Genossenschaft organisiert, werden dort alternative Lebensmittel produziert und vermarktet. Ziel der Betreiber ist es, Eden als ökologische Siedlung über die Zeit zu retten "und in der Zukunft wieder ein Modell zu werden für sich neu bildende Lebens-, Wohn- und Dorfgemeinschaften".

Interessant auch der Lokalaugenschein in der Kommune Niederkaufungen mit 70 Bewohnern, Werkstätten, Ladenlokalen auf rund 10.000 Quadratmetern. Weitere Beobachtungen finden im Ökospeicher Wulkow, im Ökozentrum Werratal, in den Hermannsdorfer Landwerkstätten (des Karl-Ludwig Schweisfurthl in der Schäfergemeinschaft Finkhof oder in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft Dottenfelderhof statt. Zwischendurch gibt der Autor Gespräche mit der Ökofeministin Maria Mies mit ihrem Konzept der Subsistenzperspektive, bei der die Last und die Lust untrennbar miteinanderverbunden sind, wieder.

Im Gespräch mit Nikolaus Einhorn über Tiefenökologie, mit Dorothee Sölle über Schöpfungsspiritualität und Widerstand sowie mit Hans-Peter Dürr über Evolution und Nachhaltigkeit versuchte Grober, das Konzept einer zukunftsfähigen Gesellschaft und eines neuen Denkens zu vertiefen. Gerade diese Mischung aus Praxis und Theorie macht das Buch nicht nur für Insider lesenswert. Im Anhang werden zudem zahlreiche Projekte und Forschungsinstitute mit Kontaktadressen vorgestellt.

A. A.


Grober, Ulrich: Ausstieg in die Zukunft. Eine Reise zu Ökosiedlungen, Energie-Werkstätten und Denkfabriken. Berlin: Links, 1998. 283 S.,DM 36, - / sFr 33,- / öS 263,-