Nachhaltige Entwicklung und Global Governance

Ausgabe: 2008 | 1

„Während die Rhetorik der Großkonferenzen insbesondere der 1990er Jahre vom Wohlfahrtsdenken geprägt ist, dominieren in der Realpolitik nach wie vor herkömmliches Machtstreben und kurzsichtiges nationales Eigeninteresse.“ So Petra Gruber, Herausgeberin eines Bandes über „Nachhaltige Entwicklung und Global Governance“ pointiert (S. 7). Noch handle kaum ein Staat entsprechend der Einsicht, dass dem Souveränitäts- verzicht ein Zugewinn an gemeinsamer Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit folge. Die Realität der Welt am Beginn des neuen Jahrtausends gibt der Sozialwirtschaftlerin Recht. Die großen Ziele wie Ausmerzung des Hungers, Schaffung würdiger Lebensbedingungen für alle, Umstieg auf nachhaltige Wirtschaftsweisen unter Beachtung der Ressourcengrenzen sind bislang Makulatur geblieben. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert, die Naturzerstörung schreitet ungebremst voran, eine neue Geopolitik des Zugriffs auf Ressourcen führt zu weiterer militärischer Aufrüstung allerorts.

 

Und dennoch: die „globale Weltrisikogesellschaft“ (U. Beck) erfordert global akkordiertes Handeln. Auch wenn derzeit noch kurzsichtige Machtpolitik dominiere, so werde der Problemdruck der hohen Transaktionskosten auch die Global Player sowie die „einsame Supermacht“ USA zur internationalen Kooperation zwingen, ist der Entwicklungsexperte Franz Nuscheler überzeugt: „Hegemoniale Weltordnungsvorstellungen haben in einer polyzentrischen Welt keine Zukunft.“ (S. 53) Global Governance sei daher kein „romantisches Projekt für eine heile ‘Eine Welt’, sondern eine realistische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung“ (ebd.), so der Politikwissenschaftler in seinem Beitrag zur Publikation des Wiener Instituts für Umwelt – Friede – Entwicklung (IUFE). Wie unterschiedliche Politikverständnisse derzeit noch eine außenpolitisch „zweigeteilte“ Welt erzeugen, macht der Vertreter Österreichs beim Europarat in Straßburg Wendelin Ettmayer zugespitzt an der EU und den USA deutlich: „Reden Amerikaner von Sicherheit, denken sie vor allem an die militärische Sicherheit. ... Sprechen Europäer von Sicherheit, denken sie vor allem an ihre Pensionen und ihre Krankenversicherung.“ (S. 44) Für den Autor liege es  uns auch näher, Wohlfahrtsdenken zu internationalisieren, etwa durch den Kampf gegen Hunger oder die Etablierung von globalen Sozialstandards.

 

Und worin gründet die Hoffnung auf globale Kooperation? Die Zunahme internationaler Organisationen, die Etablierung erster transnationaler Regime sowie der Druck transnationaler Nichtregierungsorganisationen werden als empirische Belege für eine am Horizont schimmernde Weltord- nungspolitik gesehen. Global Governance meint dabei keine Weltregierung, sondern eine „neue Kooperationskultur“ (Florian J. Huber), in der Nationalstaaten, internationale Organisationen und transnationale Unternehmen sowie NGO-Netzwerke kooperieren. Dirk Messner spricht vom „Regieren jenseits der Staaten“ und nennt als erfolgreiches Beispiel die World Commission on Dams, in der Staaten, Unternehmen und NGOs gemeinsam an Lösungen arbeiten. Den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen werde dabei, so eine Analyse von Sven Bernhard Gareis, auch zukünftig vor allem vermittelnde und moralische Funktion zukommen, da die mächtigen Staaten keiner Abgabe von Souveränitätsbefugnissen zustimmen und der Sicherheitsrat blockiert sei. Und auch die Bedeutung der NGOs dürfe nicht überbewertet werden, so Tanja Brühl in ihrem Beitrag „Mächtige Akteure?“ Nichtregierungsorganisationen zeichneten sich durch ihr großes Wissen sowie ihr hohes moralisches Gewicht aus und hätten, so die Expertin, die internationale Politik transparenter gemacht. Mit der Verringerung ihres Ressourcenvorsprungs (Wissen) könne aber auch die Bereitschaft sinken, sie weiterhin in internationale Konsultationen einzubeziehen, was zur Schwächung der „internationalen Demokratie“ führen würde.

 

Und was ist mit den transnationalen Unternehmen, deren Marktwert nicht selten das BIP mittelgroßer Staaten übersteigt (s. Kasten)? Der Wirtschaftswissenschaftler Bernhard Ungericht zeigt in seiner erhellenden und den Band bereichernden empirischen Studie „Transnationale Unternehmen als zentrale Akteure der Weltwirtschaft und ihre Regulation“ die (informellen) Machtbefugnisse der TNCs auf, denen es bislang immer wieder gelungen ist, Bestrebungen für verbindliche globale Sozialmindeststandards zu torpedieren oder zumindest abzuschwächen. So wurden die so genannten „UN-Norms on the Responsibility of Transnational Corporations“, die den bisherigen freiwilligen Verpflichtungen etwa im Rahmen des „Global Compact” mehr Verbindlichkeit geben sollten, auf Druck der Internationalen Handelskammer (ICC) im Jahr 2004 erfolgreich abgewürgt. Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig transnationale NGOs sind, die solche „Ungereimtheiten“ ans Tageslicht bringen! H. H.

 

Nachhaltige Entwicklung und Global Governance. Verantwortung. Macht. Politik. Hrsg. v. Petra Gruber. Opladen: Budrich-Verl., 2008. 188 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 35,90

 

ISBN 978-3-86649-153-3