Kompass für ein gutes Leben

Ausgabe: 2012 | 1

Der Wunsch, gut zu leben, ist selbstverständlich auch Thema religiös fundierter Reflexion. Dass hierbei auf im Glauben gründende Gewissheit und somit auf eine lange Tradition zurückgegriffen werden kann, die Eigenständigkeit und Aktualität indes nicht ausschließt, verdeutlicht der hier abschließend angezeigte Band. Er versammelt in 50 kaum mehr als 2 – 3-seitigen Abschnitten Gedanken der katholischen Ordensfrau Johanna Domek, über die der Leser an dieser Stelle kaum weiterführende Hinweise findet. Dennoch lassen einleitende Gedanken zur katholischen Tugendlehre und der Hinweis auf eine Erstveröffentlichung in der Kölner Kirchenzeitung den Hintergrund erkennen, vor dem diese Gedanken zu lesen und einzuordnen sind. Was aber sind und was bedeuten Tugenden heute für uns? Mit dem Münsteraner Philosophen Josef Pieper spricht die Autorin vom „Auf-dem-Sprung-sein-zum-Tun-des- Guten“ oder von „Bildern menschlichen Richtigseins“. Ihre nachfolgenden Erkundungen, die von der Frage nach dem Wesen von „Klugheit“ ihren Anfang nehmen, um in der Folge sich mit „Gerechtigkeit“, dem „rechten Maß“ oder nur scheinbar anachronistischen Tugenden wie „Tapferkeit“, „Gehorsam“, dem „Schweigen“ oder der „Ehrfurcht“ auseinandersetzen, wollen als Einladung zur Reflexion und zum Innehalten verstanden werden. Es sind Miniaturen, die zum Teil auch Überraschendes bereithalten, etwa wenn von der Tugend der „Absichtslosigkeit“ zu lesen ist, die es „in einer Zeit, in der soviel Wert auf Effizienz gelegt wird, bewusst gepflegt werden sollte“. „Zur Absichtslosigkeit“, so Johanna Domek, „gehört eine Stille und Weite, die jedem Begegnen, jedem Hören und jedem Schauen guttut. (…) Das sind Momente, die kostbar sind. Wenn sie nicht geschehen bei allem, was wir sonst zu tun und zu arbeiten haben, wird das Leben eng und über kurz oder lang atemlos, traurig und leer.“ (S. 69f.) Ob im Weiteren von „Zuwendung“, vom „Zuhören“, von „Dankbarkeit“, von „Gelassenheit“ oder der Tugend des „Segnens“ gesprochen wird: Wer sich auf die hier entfalteten Gedanken einlässt, erkundet unauffällige, aber bedenkenswerte Spuren gelingenden Lebens. Ein abschließender Blick auf Tugendauffassungen des Islam, des Konfuzianismus und des Buddhismus verweist darauf, wie wertvoll das Wissen um kulturelle und religiöse Zusammenhänge ist, um einander respektvoll begegnen zu können und den Reichtum des Gemeinsamen über das Trennende zu stellen. W. Sp.

Domek, Johanna: Kompass für ein gutes Leben. Die Wiederentdeckung der Tugenden. Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag, 2012. 128 S., € 12,90 [D], 13,30 [A], sFr 18,90 ISBN 978-3-98680-551-5