Klimakriege

Ausgabe: 2013 | 4

Seit dem Bestseller „Klimakriege“ (Harald Welzer, 2008) begreifen wir vielleicht ein wenig besser, welche Bedrohung der Klimawandel für das menschliche Zusammenleben darstellt. Es sind nämlich in erster Line die sozialen Effekte, die aus steigenden Meeresspiegeln, der Verschiebung der Regenzonen, rasant fortschreitender Wüstenbildung und einer Mehrung extremer Wetterereignisse erst Katastrophen werden lassen, die wir weder kontrollieren noch verhindern können. (vgl. Herfried Münkler: Gewalt als Lösung. In: www.süddeutsche.de, 17.5.2010) Der Klimawandel fungiert so gesehen als „Multiplikator von Bedrohungen“.

 

Christian Parenti, ein in den USA bekannter investigativer Journalist, spricht vom „Wendekreis des Chaos“, einem Gürtel von ökonomisch und politisch erschütterten, postkolonialen Staaten, die innerhalb der mittleren Breiten des Planeten, also zwischen dem Wendekreis des Steinbocks (südlicher Wendekreis) und dem Wendekreis des Krebses (nördlicher Wendekreis) liegen. Genau dort, so der Autor, beginnt der Klimawandel hart zuzuschlagen. Laut einer schwedischen Regierungsstudie gibt es 46 Länder, die alle in dieser geografischen Breite liegen und 2,7 Milliarden Menschen beherbergen, „in denen die Auswirkungen des Klimawandels im Zusammenspiel mit ökonomischen, sozialen und politischen Problemen ein hohes Risiko gewalttätiger Konflikte hervorbringen werden“ (S. 17).

 

Parenti eröffnet seine Darstellung mit der Beschreibung, wie sich die Sicherheitskräfte des globalen Nordens auf die Inangriffnahme einer „militarisierten Anpassung“ vorbereiten (vgl. S. 19). Unter Anpassung in Zusammenhang mit dem Klimawandel versteht Parenti nicht nur, sich an dessen Auswirkungen - auch durch technische Maßnahmen - auszurichten, sondern eben auch politisch-militärische Maßnahmen. Die zurückliegenden einschlägigen Schritte sind seiner Ansicht nach nicht sehr Vertrauen erweckend. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Politik des bewaffneten Rettungsbootes und beschreibt im folgenden Kapitel die „Anpassung als Aufstandsbekämpfung“ (S. 29ff.). Das Wesen dieser klimabedingten Intervention bestehe „in einem ewig andauernden, schmutzigen Krieg“ mit dem Ergebnis von Chaos, Korruption, Unwissen, Kriminalität und der Schaffung von Gesellschaften, „die vollkommen außer Stande sind, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen“ (S. 44).

 

Der Geschichte und Politik des Klimawandels in Ostafrika sowie Zentralasien (um die klimatischen Faktoren des Afghanistankrieges und des pakistanisch-indischen Konflikts) sind weitere Kapitel gewidmet. In Brasilien sieht der Autor die extreme Gewalt in den Favelas von Rio de Janeiro in Verbindung mit dem Klimawandel und das Erbe des neoliberalen Kapitalismus als Hauptursache der in Mexiko herrschenden Instabilität. Die Militarisierung und die Fremdenfeindlichkeit an der Grenze der USA werden seiner Ansicht nach in wachsendem Maße vom Zerfall des nördlichen Mexiko geprägt.

 

Was tun?

Parenti lässt kein gutes Haar an den Machenschaften der westlichen Industrienationen im Hinblick auf deren Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Der beste Weg zur Bewältigung der Herausforderungen besteht für ihn darin, die politischen und ökonomischen Krisen in Angriff zu nehmen, die uns in erster Linie für die vom Klima verursachten Katastrophen so anfällig gemacht haben. Die wichtigste Strategie sei Schadensbegrenzung durch die „Entkarbonisierung“ unserer Wirtschaft (vgl. S. 20). Notwendig sei auch eine Bewegung in Richtung Kooperation und ökonomische Umverteilung zwischen Nord und Süd. „Letztlich wird die Lösung der Klimakrise (…) eine Relegitimierung der Rolle des Staates in der Wirtschaft erforderlich machen. Wir werden eine Planung und Umverteilung von Reichtum nach unten benötigen.“ Jedenfalls schulden wir nicht zuletzt der nächsten Generation, „die den ganzen Schlamassel erben wird“, dass wir heute Anstrengungen unternehmen, unsere Politiker zum Handeln zu zwingen (vgl. S. 250).

 

Dies führt uns zum Thema der Klimagerechtigkeit, das die ungleiche Verteilung der Folgen der Erwärmung formuliert und einen gerechten Ausgleich zwischen reichen und armen Ländern anstrebt. Alfred Auer      

 

Parenti, Christian: Im Wendekreis des Chaos. Klimawandel und die neue Geografie der Gewalt.

LAIKA-Verl., 2013. 305 S. (Edition Provo 6)

€ 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 27,90

ISBN 978-3-942281-34-8